hr2 ZUSPRUCH
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Flicker, Steffen

Eine Sendung von

Schulleiter der katholischen Schule Marianum Fulda und Vorsitzender des Katholikenrates im Bistum Fulda

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Das Ärgerliche am Ärger

Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen." Diese Schlussfolgerung stammt von dem deutschen Schriftsteller Kurt Tucholsky und ich stimme ihr zu. Auch ich könnte mich manchmal stundenlang über eine unerfreuliche Begebenheit ärgern. Meine Laune wird immer schlechter, aber einen Nutzen hat dieser Ärger allemal nicht.

Zugegeben: Das hört sich sehr abgeklärt an. In der konkreten Situation, in der ich mich ärgere, bringt mir diese Erkenntnis wenig. Das ist der berühmte Unterschied zwischen Rationalität und Emotionalität. Obwohl ich genau weiß, dass das Sich-Ärgern vollkommen sinnlos ist, bestimmt es aber in diesem konkreten Augenblick meine Gefühlswelt.

Das können oft auch nur Kleinigkeiten sein. Manchmal sind es ja wirklich nur Banalitäten, über die ich mich ärgere. Rational mache ich mir natürlich klar, dass es sich im Grunde gar nicht lohnt, darüber schlechte Laune zu bekommen.

Der Ärger muss raus! Das befreit und macht Platz für etwas viel Wichtigeres: die Vergebung

Ich habe inzwischen für mich gelernt, dass es auch wiederum nicht weiterhilft, Ärger zu unterdrücken. In der Psychologie spricht man im Zusammenhang mit Ärger von einer sogenannten Ventilfunktion. Indem ich mich ärgere, öffnet sich bei mir ein Ventil. Der emotionale Druck in mir ist in einem ärgerlichen Moment so groß, dass ich den Ärger zulassen sollte.

Ich darf mich gewissermaßen über Dinge ärgern. Dennoch ist das Tucholsky-Zitat zutreffend. Für mich habe ich die Erkenntnis gewonnen: Ärgern ja, Emotionen zulassen - auch das ist okay. Aber nicht stundenlang, denn der Ärger schadet letztlich mir selbst und er hat auch für niemanden sonst einen Nutzen.

In der sogenannten "Schmoll-Ecke" wird es auf Dauer ungemütlich. Natürlich kann ich mich auch in meinem Ärger "einrichten" und damit meine Welt in Schwarz und Weiß einteilen. Aber ist es nicht so, dass ich auch wissentlich zum Ärger anderer Menschen beitragen kann? Oder unwissentlich? Vielleicht ärgern sich auch Menschen über mich?

Und wenn mich jemand geärgert hat und derjenige sich bei mir entschuldigt, dann muss ich diese Entschuldigung auch annehmen. Das hat etwas mit Vergebung zu tun. Vergebung erhoffe ich mir schließlich ja auch von anderen, wenn ich zu einem Ärgernis beigetragen habe.

Vom Vergeben und Verzeihen spricht auch die Bibel. Jesus ruft dazu auf, den Menschen zu vergeben, die einem Unrecht zugefügt haben. Dabei verweist er auf Gott, der uns Menschen auch die Vergebung zusagt.

Vergebung kann mir helfen, meinen Ärger zu beenden. Dann hat vielleicht der Ärger doch einen Sinn und kann mir und meinem Gegenüber auch nützen.