hr2 ZUSPRUCH
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Maschke, Andrea

Eine Sendung von

Katholische Pastoralreferentin in Bad Homburg / Friedrichsdorf

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Wie steht's um die Nachbarn?

Von meinem Balkon sehe ich derzeit auf eine riesige Baustelle. Wo früher Brachland war, wird gebaut, aber richtig: zwei Häuserblocks, ein Supermarkt, vielleicht ein Kindergarten. Seit vielen Monaten ist es laut, und oft schon hat es ordentlich gewackelt und vibriert bei uns, kleine Haarrisse durchziehen die Fassade. Das betrifft alle im Haus.

Die Sorge für das gemeinsame Haus

Papst Franziskus hat seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ den Untertitel: „Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ gegeben. Die Enzyklika verbindet soziale und ökologische Fragen und Herausforderungen, prangert Ungerechtigkeiten an und sucht nach Lösungen. Mit der Zeit finde ich den Untertitel vom „gemeinsamen Haus“ immer sprechender.

Wir Menschen wohnen sehr unterschiedlich

Wenn ich mir die Welt als Haus vorstelle, dann sticht mir sofort ins Auge: Die Menschen wohnen doch sehr unterschiedlich, einige mit viel Platz und Annehmlichkeiten, die anderen beengt und weniger gut ausgestattet; einige in Eigentumswohnungen, andere in Wohnungen mit horrend hoher Miete. Manchmal reicht der Wasserdruck nur für die unteren Stockwerke und ganz oben kommt dann kaum Wasser an. Andererseits hat man von oben die bessere Sicht.

So wichtig, dass alle gut umgehen mit dem Haus

Aber trotz aller Unterschiede: Wenn es in einer Wohnung brennt, sind alle anderen Hausbewohnerinnen und -bewohner mitgefährdet. Wenn das Dach undicht ist, wird es nicht nur für die Menschen, die ganz oben wohnen, ungemütlich; für die natürlich besonders. Wir sind darauf angewiesen, dass sich alle an ein paar wichtige Regeln halten und gut umgehen mit dem Gebäude: Denn wenn eine Mauer nachgibt, stürzt womöglich das ganze Haus zusammen.

Wir haben keinen Planeten B

Anders als in unserem alltäglichen Wohnumfeld ist ein Umzug in eine andere Wohngegend beim Erden-Haus nicht möglich. Wir haben nur diese eine Erde, dieses eine Haus. Die jungen Leute von „Fridays for future“ schreiben auf ihre Plakate: Wir haben keinen Planeten B.

Wir sind aufeinander angewiesen

In der Pandemiezeit haben wir gelernt, wie wichtig Solidarität ist. Dass es nicht nur darum geht, sich selbst zu schützen, sondern auch die anderen – und damit letztlich doch auch wieder uns selbst. Wir sind aufeinander angewiesen. Und trotzdem versuchen viele, erst einmal die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen, ob als Profiteure der Krise oder als Staaten, die nur das Wohl der eigenen Bevölkerung im Blick haben.

Sorge und Zorn wegen der Ausbeutung unserer Erde

Ob die Corona-Erfahrungen uns bei der Bewältigung der Klimakrise helfen? Auf einen Teil der Erde schaue ich seit einiger Zeit mit besonderer Sorge, aber auch mit großem Zorn: auf das Amazonasgebiet. Eine der großen grünen Lungen unseres Planeten brennt, willkürlich. Weite Gebiete des Urwalds werden gerodet, um Weideflächen zu schaffen. Die riesigen Bäume werden illegal abgeholzt und verkauft, die Erde auf der Suche nach Gold verwüstet und verseucht. Und die Menschen, die seit Jahrhunderten dort im Einklang mit der Natur leben, die indigenen Völker, werden ihrer Lebensgrundlage und Heimat beraubt, viele sterben. Und das alles mit politischer Duldung, wenn nicht Zustimmung, der Regierung.

Im Erden-Haus sind wir alle Nachbarn

Im gemeinsamen Erden-Haus sind die Menschen im Amazonas meine Nachbarn. Wenn es dort brennt, dann lässt mich das, im wahrsten Sinn des Wortes, nicht kalt. Ihr Schicksal ist mir nicht egal – und die Gefahr für uns in der Nachbarschaft auch nicht. Und es gibt noch eine Menge anderer Parteien im Haus.

Heute am 17. Juli ist der internationale Tag der Gerechtigkeit. In dem Haus, in dem ich gerne wohnen möchte, würden wir diesen Tag zusammen feiern.