hr2 ZUSPRUCH
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Flicker, Steffen

Eine Sendung von

Schulleiter der katholischen Schule Marianum Fulda und Vorsitzender des Katholikenrates im Bistum Fulda

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Verloren - Gefunden

"Der Haustürschlüssel!" Nirgends zu finden. "Wenn ich nur wüsste, wo ich ihn zuletzt liegen gelassen habe!" Wie sehr man sich doch über sich selbst ärgern kann, wenn man etwas verloren hat und dies trotz allen Suchens absolut nicht finden kann. Ich suche alles akribisch ab - aber ohne Erfolg. Erst, nachdem einige Zeit verstrichen ist, finde ich vielleicht das, wonach ich eine gefühlte Ewigkeit schon suche.

Wer kennt dies nicht? Was ist mir nicht alles schon im Laufe der Zeit verloren gegangen? Und wie groß war für mich die Erleichterung, wenn ich etwas wiederfinde!

Wer sich schon einmal in einem Fundbüro umgesehen hat, wird einen Eindruck von der Vielzahl der Gegenstände gewonnen haben, die Menschen verloren haben.

"Verloren - Gefunden" - so könnte das Motto aller Fundbüros lauten.

Von Verlorenem erzählt auch Jesus in der Bibel. Nicht nur ein Schaf oder eine Geldmünze - sogar ein Mensch geht da verloren. Ich meine die bekannte Geschichte vom verlorenen Sohn. Da zahlt ein Vater seinen beiden Söhnen den Erbteil aus, mit dem der eine regelrecht "durchbrennt". Er lebt in Saus und Braus. Viele Jahre zieht er umher, gilt als verschollen. 

Nach einigen Jahren kehrt "der verlorene Sohn" auf den Hof des Vaters zurück. Und der Vater ist so voller Freude und Euphorie, dass er ein üppiges Fest ausrichtet. Das kränkt den zweiten Sohn, für den noch nie eine solche Feier veranstaltet worden ist.

Diese Geschichte gibt mir immer wieder zu denken, obwohl ich sie schon so oft gelesen habe. Ich versuche, mich in diese drei Personen ""hineinzufühlen". In welchem der beiden Söhne finde ich mich wieder? Natürlich strahlt die Faszination der Welt des Aussteigers, des Weltenbummlers mit all seinen Abenteuern und seiner Exotik einen ganz besonderen Reiz aus, den ich auf den ersten Blick spannend finde.

Aber die häusliche Geborgenheit, das familiäre Umfeld, zieht mich auch an. Es vermittelt Sicherheit und Schutz. Hier fühle ich mich gut aufgehoben, ja be-hütet.

Und wie muss sich der Vater fühlen? Wie kann er beiden Söhnen gerecht werden? Ein echter Zielkonflikt. Egal, wie er sich verhält, es hat Konsequenzen für den jeweils anderen Sohn. Die Wiedersehensfreude ist verständlich. Aber vergisst er dabei nicht die Freude, die er im Alltag erfährt?

Wenn ich etwas Verlorenes wieder finde, wenn ein Mensch, den ich verloren geglaubt habe, plötzlich wieder vor mich auftaucht - dann geschieht etwas Wunderbares. Und es ist eine gute Erfahrung, wenn ein Mensch nach langer Zeit herzlich aufgenommen wird. Genauso wunderbar ist es, wenn Menschen um mich herum verlässlich bei mir bleiben. Sie geben mir Halt. So wie Gott, der seine schützende Hand über uns alle hält. Darauf kann ich mich verlassen.