Steh auf!
Ich stelle mir den Ort, den das Johannesevangelium beschreibt, wie ein Kurbad vor: eine Heilquelle, Wandelhallen, in denen die Kranken und Genesungsbedürftigen liegen oder sitzen. In den Gesprächen wird es oft um die Gesundheit gehen. Wie lange noch dauert es, bis ich wieder gut Luft bekomme, laufen kann, der Schmerz weg ist?
Jesus heilt den Kranken am Teich Betseda
In der Bibelgeschichte vom Kranken am Teich Betesda (Johannes 5, 1-14) liegt einer seit 38 Jahren in einer dieser Kurhallen und wartet. Und dann kommt Jesus. Die Menschen weisen ihn auf diesen Kranken hin: „Der da hinten, seit 38 Jahren wartet er“. Jesus geht zu dem Mann und stellt ihm eine Frage: „Willst du gesund werden?“
Eine unverschämte Frage
Ich fand diese Frage immer seltsam und unverschämt. Ja, was soll der Mensch denn sonst wollen? Wie kann Jesus einen Langzeit-Leidenden so angehen? Und dann antwortet der Mann: „Ich habe niemanden, der mir hilft, zum heilenden Wasser zu gehen. Und wenn ich es dann doch schaffe, ist schon ein anderer dort.“ Das ist seine Erfahrung. Er sitzt weit weg von er heilenden Quelle. Keiner kümmert sich um ihn. Niemand hilft.
Die anderen sind schuld
Gleichzeitig weist er mit dieser Antwort von sich weg. Die anderen sind schuld. Die Umstände sind schuld. Und ansonsten ist es wie im Supermarkt: ich stehe eh immer an der falschen Schlange an.
"Steh auf, nimm dein Bett und geh!"
Jesu Antwort ist knapp: „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ Eine Hammer-Antwort: Lass das Jammern sein. Schiebe die Schuld nicht auf andere. Schau auf das, was du dir wirklich wünschst. Und folge deiner Sehnsucht.
Wenn Wollen und Können zusammenkommen ...
Wenn ich an die großen Aufbrüche in meinem Leben denke, dann stimmt die Geschichte. Sei es ein Auszug oder Umzug, eine Trennung und Scheidung, eine neue Arbeitsstelle. Es gibt den Moment, in dem Wollen und Können zusammenkommen. In denen ich die Kraft habe, aus den alten Mustern auszubrechen. Aufzustehen. Dazu brauche ich in erster Linie mich selbst. Muss innerlich frei werden zum Aufstehen. Oft ist es ein klarer Anstoß von außen, der das bewirkt. Der Satz einer Freundin, die Bemerkung eines Kollegen, ein Wort, das trifft in seiner Unglaublichkeit: Steh auf.
Den Mann in der Geschichte steht auf, nimmt sein Bett und geht. Wohin, erfahren wir auch. Er geht in den Tempel. Um Gott zu danken für das Wunder des Aufbruchs. Mitten im Leben.
Der Blick auf das Heilsame im Leben
Für mich ist das in dieser Geschichte die eigentliche Genesung. Der Blick auf das Gelingende, das Gute, das Heilsame im Leben. Im Tempel trifft der Mann noch einmal Jesus. Jesus zu ihm sagt: „Du bist gesund geworden. Sündige hinfort nicht mehr, damit dir nichts Schlimmeres widerfährt.“ Will sagen: Fall nicht in die alten Muster zurück. Suche deine Kraft. Sei dankbar, heute für das Jetzt und Hier. Gott ist mit dir.