Glaube lebt davon, weitergegeben zu werden
Eine Kindheitserinnerung von mir: Wir Kinder liegen im Bett. Mein Vater nimmt sich die Zeit und betet mit uns. Auch das Lied „der Mond ist aufgegangen“ hat jeden Abend dazu gehört. Die letzte Strophe endet mit den Worten: „und lass uns ruhig schlafen und unsern kranken Nachbarn auch“. An einem Abend, so erinnere ich mich, hat mein Vater gesagt: Unsere Nachbarin ist krank. Mit dem Lied beten wir für sie. Ich weiß noch genau, wie mich das als Kind damals beeindruckt hat. Obwohl ich nicht mehr weiß, was genau. Es war wohl eine Mischung: Weil das Lied auf einmal etwas Konkretes hatte. Weil es mit jemandem verbunden war, den ich kannte. Dass man auch seine kleine Welt vor Gott bringen kann und damit die Sorgen und Probleme, die einen ganz persönlich beschäftigen,
In meiner Erinnerung hat mein Vater hat das nur einmal gemacht: Er hat einen Mensch, den wir kennen, mit uns Kindern ins Gebet geschlossen. Im Nachhinein frage ich mich, ob sonst niemand krank war in diesen Jahren? Niemand, um den wir uns Sorgen gemacht hätten? Heute meine ich, mein Vater hat wirklich gebetet, ihm war das Gebet ein persönliches Anliegen. Für ihn hatte das nichts mit Pädagogik zutun. Es ging nicht darum, dass wir als Kinder lernen sollten, auch an die Nachbarn zu denken. Es ging nicht darum zu tun, was sich gehört, weil man das so macht: Jemanden in ein Gebet einschließen. Mein Vater hat einfach für die Nachbarin gebetet! Er hat sie Gott anvertraut.
Inzwischen bete ich mit meinen eigenen Kindern. Ich habe ich das Gebet ergänzt mit den Worten: Alle, die mir sind verwandt, Gott lass ruhn in deiner Hand. Alle Menschen groß und klein sollen dir befohlen sein. Damit sind die Nachbarn eingeschlossen, und auch die Menschen, die mir nah sind, meine Familie, meine Freundinnen und Freude. Und all die Menschen, die ich nicht kenne.
Der persönliche Glaube lebt ja davon, dass wir ihn erzählen und weitergeben. Ich bete heute mit meinen Kindern das Gebet, dass ich selbst als Kind gebetet habe. Weil dieses Gebet mich getragen hat, ich eine Geschichte damit erinnere. Der Glaube lebt davon, dass sich alte Worte mit eigenen Erfahrungen füllen. Davon, weitergeben zu werden, bereichert um die eigenen Fragen.
Manchmal erinnern wir uns an fast vergessen geglaubte Worte. Manchmal finden wir solch einen Schatz aus der Vergangenheit. Er ist ein bisschen verstaubt und in die Jahre gekommen. Das kann sein. Wenn wir den Staub abpusten, dann wird sichtbar, wie kostbar das Wiedergefundene ist. Ein Wort, das so treffend war, das ich es nicht vergessen habe. An das Gebet zum Mittagessen bei den Großeltern. An die Zeile eines Liedes. Wenn Sie so etwas finden, nehmen sie es ruhig in die Hand. Und pusten Sie den Staub weg!