Das Kleine lieben, um etwas Großes zu bewirken
Man muss das Kleine lieben, wenn man etwas Großes bewirken will. Diesen Satz hat ein Pfarrer gesagt, den ich in einem kleinen Dorf in Thüringen besucht habe. Außer dem Ort, in dem er wohnt, gehören noch sechzehn andere zu seiner Pfarrstelle. Die Dörfer sind klein und die Anzahl der Gemeindemitglieder gering. Die Prognose ist eindeutig: Die Dörfer werden weiter schrumpfen, denn die jungen Leute ziehen weg zur Ausbildung und für eine Arbeitsstelle.
Das ist das Schicksal der Dörfer in Thüringen, genauso wie im Vogelsberg, wo ich lebe. Trotzdem geben wir nicht auf. Wir werden in den Dörfern weniger und älter, das stimmt. Wir werden aber auch bunter und engagierter. Im Kleinen entsteht auf einmal etwas Großes. An einem Beispiel, das ich meinem Freund aus Thüringen verdanke, will ich das illustrieren.
In einem Dorf, das unter vierhundert Einwohner hat, war die Kirche ziemlich verfallen. Von Wind und Wetter war sie gezeichnet. Sie wieder in einen ordentlichen Zustand zu bringen, würde viel Geld kosten. Doch das hatte niemand. Weder die politische Gemeinde noch die Kirchenleitung in Erfurt. Damit war klar: Wir überlassen unsere Kirche dem würdigen Verfall. Irgendwann bleibt eine Ruine übrig, die an andere Zeiten erinnert.
Doch das wollten die Leute im Dorf nicht. Sie gründeten einen Kirchbauverein mit dem Ziel, die Kirche zu retten. Am Anfang war das nur eine Handvoll Leute. Es fing ganz klein an. Doch dann wurden es immer mehr, die sich beteiligt haben. Schließlich waren es viele, die selber Hand angelegt oder Geld gespendet haben. Und dann hat es geklappt. Die kleine Dorfkirche ist restauriert. In ihr finden Gottesdienste und Konzerte, Hochzeiten und Beerdigungen statt. Die Kirche ist Heimat für viele geworden. Das ist etwas Großes; und angefangen hat es ganz klein.
Heute sagen die Initiatoren von damals: Es war wie ein Aufbruch. Wir haben es gespürt, dass wir es schaffen, wenn wir uns zusammentun. Und jeder, der mitgemacht hat, fühlt sich zugehörig, ist hier daheim; irgendwie sind wir alle dabei. Man muss das Kleine lieben, wenn man das Große bewirken will.
Im Neuen Testament steht ein Gleichnis, das den Zusammenhang von Kleinem und Großem beschreibt. Da wird das Reich Gottes mit einem Senfkorn verglichen. Ein Senfkorn ist ein sehr kleines Samenkorn. Man kann über Hundert davon in eine Hand nehmen. In so einem kleinen Korn liegt schon die ganze Energie zum Keimen und Wachsen. Jemand hat so ein winziges Korn achtlos in den Garten geworfen, erzählt das Gleichnis der Bibel. Doch dann wurde daraus eine große Pflanze, höher als ein ausgewachsener Mensch. zum Werden und Reifen. Aus dem winzigen Korn wird eine große Pflanze, höher als ein ausgewachsener Mensch.
So ist das auch in unserem Leben. Aus dem Kleinen, das man wertschätzt und liebt, kann Großes werden. Das Dorf, in dem ich lebe, ist mit den großen Städten verglichen unbedeutend. Doch wenn wir es lieben, dann kann darin Großes entstehen – eine Gemeinschaft von Menschen, in der alle ihren Platz finden und sich zuhause fühlen, wo jede und jeder daheim ist.