hr2 ZUSPRUCH
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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Und das Leben wird schön

Und das Leben wird schön

Jahrelang hat sie Kranke besucht, an ihren Betten gesessen und zugehört. Wenn es etwas zu besorgen galt, hat sie es getan. Wenn die Krankheit schlimmer wurde, ist sie nicht weggegangen, hat weiter zugehört und gepflegt. Die Angehörigen waren ihr dankbar. Wenn es ans Sterben ging, war sie auch da, hat zugehört, hier und da ermuntert oder ausgehalten, was ertragen werden musste. Bis sie eines Tages eine schöne Idee hatte für uns, die wir noch Leben vor uns haben und uns darauf freuen. Sie hat aufgeschrieben und gesammelt, was die Menschen ihr am Krankenbett so erzählt haben. Vor allem hat sie das aufgeschrieben, was die Kranken bereut haben aus ihrem Leben. Alles hat sie in einem Buch gesammelt, das im vorigen Jahr in Australien erschienen ist.

„Hätte ich doch bloß…“, so beginnen viele Sätze der Menschen, die auf ihr gelebtes Leben zurückblicken. Worte des Bedauerns: Hätte ich doch bloß… Dann folgen Sätze, die wie für uns geschrieben sind, die wir noch Zeit vor uns haben. Die einen sagen im Rückblich auf ihr gelebtes Leben: Ich wünschte, ich hätte mehr meine eigenen Wünsche gelebt und nicht so sehr die Wünsche der anderen. Männer sagten manchmal: Ich hätte nicht so viel arbeiten sollen. Ich wünschte, sagen wieder andere, ich hätte mehr auf meine wahren Gefühle geachtet und mehr Freundschaften gepflegt. Schließlich sagen welche im Rückblich: Ich hätte mir mehr Glück gönnen sollen.

Wie gesagt, das soll uns Lebende nachdenklich machen. Wie denken wir heute über die Jahre, die hinter uns liegen? Was bereuen wir? Was würden wir wieder so tun? Und was müssten wir heute ändern, damit wir es am Ende des Lebens nicht bereuen? Das sind wichtige Fragen. Vielleicht finden wir Antworten darauf, die unser Leben in eine etwas andere Richtung bringen. Wenn ich auf mein eigenes Leben schaue, bereue ich manches, was nicht mehr zu ändern ist. Wenn ich dann an die Zeit denke, die vielleicht noch vor mir liegt, will ich möglichst alles lassen, was ich später bereuen könnte – dafür aber mehr von dem tun, was mich zufrieden macht. Zufrieden werde ich, wenn die Menschen um mich herum mit mir zufrieden sind, mich gerne sehen. Wenn ich also eher behutsam lebe, ohne Ellbogen. Wenn ich nicht nur von meinen Sorgen und Ängsten erzähle, sondern auch auf andere höre. Zufrieden werde ich, wenn mir die Welt nicht egal ist, ich also etwas tue für mehr Gerechtigkeit und mein Gewissen reinige. Wer nur für sich selbst lebt, wird leicht einsam oder bitter. Wer das eigene Glück auch darin findet, andere glücklich zu machen, hat mehr vom Leben und bereut weniger. Das glaube ich, weil Jesus es versprochen hat. Glücklich sind die Barmherzigen, hat er versprochen, denn sie werden Barmherzigkeit bekommen. Und das Leben wird schön.