Navigation für’s Leben
Zu ‚Tagen der Orientierung‘ waren wir unterwegs. Eine Klasse der Hanauer Eugen- Kaiser-Schule. Ihre Lehrerin und ich. Ab Bahnhof Bad Hersfeld Wir mussten wir laufen zur Jugendbildungsstätte. „Ihr wisst ja“, sage ich, „wir sind auf ‚Tagen der Orientierung‘. Das mit der Orientierung geht jetzt los. Da drüben an der Info-Tafel ist ein Stadtplan. Jetzt seht zu, wie ihr den Weg findet. Ihr könnt den Plan studieren, ihr könnt Leute fragen – Hauptsache ihr kommt ans Ziel.“ Die Schüler stecken kurz die Köpfe zusammen, murmeln etwas und laufen los. Zielstrebig, ohne Blick auf den Stadtplan. Des Rätsels Lösung: Die Jugendlichen hatten Handys mit einer Navigations-App. Kurz den Zielpunkt eingegeben, sofort zeigt das Navigationsgerät, wo’s lang geht.
Wenn das im Leben auch so einfach wäre. Das dachten die 16 bis 18-jährigen Jugendlichen, als wir an unserer Lebenskiste bastelten, ein Zukunftsspiel machten oder Wünsche und Pläne für das weitere Leben austauschten. „Eigentlich möchte ich Tierpfleger werden.“ „Ich würde gerne einmal einen Porsche besitzen“. „Kinder will ich mit 25. Das ist die richtige Zeit“. Pläne haben sie. Die wollen verwirklicht werden. Aber wie? Andere wissen nicht, wie ihr Lebensweg weitergehen soll. Wir haben eben kein Lebens-Navi: Ein Knopfdruck - und los geht’s.
Orientierung für das Leben. Die muss ich selbst suchen. Lebenswege verlaufen selten wie geplant. Können Sackgassen werden. Ich muss eine neue Richtung einschlagen. Ziele aufgeben. Mich umorientieren. Manchmal freiwillig. Manchmal notgedrungen. Das kann schön sein. Oder schmerzhaft.
„Man braucht einen Glauben, damit man Halt hat.“ Davon ist die 17-jährige Vivien überzeugt. Ich brauche für mein Leben einen Halt. Eine Orientierung. In der Abendandacht greife ich das auf. Ein ‚Navi für’s Leben‘ habe auch ich nicht. Aber ich erzähle von meinem Glauben. Der ist für mich wie ein Kompass. Er zeigt mir die Richtung. Gott lenkt mich nicht wie die Stimme des Navis. Aber er gibt mir eine Ausrichtung. Für mein Leben. Für mein Handeln. Und das Beste: Gott gibt Hoffnung. Auch für schwierige Strecken meines Lebenswegs. Das glaube ich. Das hoffe ich.
Meinen Schülern schenke ich ein Wackelbild. Zu sehen ist ein angedeuteter Weg mit einer Art Smiley. „Seid fröhlich in der Hoffnung“. Der Satz steht daneben – ist aber nicht immer zu sehen. Ein Wackelbild eben. So ist das mit meinem Leben und Glauben. Die Hoffnung auf Gott ist manchmal wacklig. Mal ist sie da. Dann wieder nicht. Die Hoffnung: Dass Gott mich kennt. Einen Weg für mich hat. Und am Ende ein Ziel. Kein ‚Navi für’s Leben‘, aber diese Hoffnung sollen meine Schüler mitnehmen von den Tagen der Orientierung.