hr2 ZUSPRUCH
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Eine Sendung von

Pastorin im Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden, Marburg

Bunte Gemeinde

Bunte Gemeinde

Manchmal fragen mich Leute, warum ich gern sonntags in den Gottesdienst gehe. Dann erzähle ich, wie es da ist: Am Eingang begrüßt mich Michael. Es läuft Musik im Hintergrund, und vorne in der ersten Reihe sprechen einige Mitarbeiter miteinander. Gleich geht der Gottesdienst los. Ich begrüße diejenigen, die in meiner Nähe sitzen. Wir lächeln uns zu, weil wir uns auf den Gottesdienst freuen.

Er beginnt oft mit einem Klavierstück. Wir haben keinen Organisten oder Kantor. Es sind ehrenamtliche Mitarbeiter, die ihr musikalisches Talent einbringen. Gerrit spielt Jazz, Sabine improvisiert zu einem Popsong, Gerhard bevorzugt Choräle. Ich mag es, dass jeder seine eigene Art mit einbringt. Es zeigt, wie vielfältig das Leben ist. Wenn ich ab und zu predige, dann beziehe ich gerne die Gottesdienstbesucher mit ein. Ich stelle eine Frage, und wem etwas einfällt, kann darauf reagieren. Manchmal gibt es etwas Überraschendes. Z.B. ein kleines Anspiel oder einen Tanz.

Es gibt ein Ziel: der Gottesdienst soll was mit dem Leben von Montag bis Samstag zu tun haben. Und er soll stärken und ermutigen. Es gelingt nicht jeder Sonntag gleich gut. Aber auch mir als Gottesdienstbesucherin geht es nicht immer gleich. Es für mich ein Geschenk, wenn ich im Gottesdienst etwas entdecke, das wie für mich zu sein scheint.

Es gibt auch einen Teil im Gottesdienst, in dem Familiennachrichten bekannt gegeben werden. Wenn jemand ins Krankenhaus geht, kann er davon erzählen und wir beten im Gottesdienst und auch zuhause für ihn. Es kommt vor, dass derjenige in einem späteren Gottesdienst davon berichtet, wie sehr es ihm geholfen hat um das Gebet der Gemeinde zu wissen. Nach dem Gottesdienst gibt es Kaffee und Tee und ein Bäcker, der zu unserer Gemeinde gehört, bringt Kuchen vom Samstag mit. So bleiben viele noch da, um sich zu unterhalten. In dieser Zeit kann man auch das vertrauliche Gespräch mit einem Seelsorger oder Pastor suchen.

Ich gehöre gern zu dieser Gemeinde. Sie ist von den Menschen geprägt, die dazukommen. So ist jede Gemeinde anders, hat ihre eigene Färbung und die Kirchenlandschaft ist insgesamt ganz bunt.

Ich weiß, dass das viele anders erleben. Als Trauerrednerin begegne ich vielen Menschen, die enttäuscht von Kirche sind. Oft ist es eine Kirchengemeinde, oder ein Pfarrer, der sie verärgert hat. Leider so gründlich, dass sie gar kein Interesse mehr haben, sich weiter mit dem ganzen Gebiet Gott-Glaube-Gemeinde auseinanderzusetzen. Ich respektiere das natürlich. Aber manchmal, wenn ich so in meinem bunten Gottesdienst sitze, vermisse ich sie und denke, wie schade, dass sie das verpassen. Das ist hier doch was richtig Gutes. Ich würde es gerne mit ihnen teilen.