hr2 ZUSPRUCH
hr2
Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Vieles überstehen wir nur lachend

Vieles überstehen wir nur lachend

Auch Künstler brauchen gelegentlich eine neue Hose. Und wenn es berühmte Künstler sind, dann haben sie einen Schneider und lassen sich die neue Hose von ihm anfertigen. So geschieht es dem irischen Schriftsteller Samuel Beckett (1906 – 1989). Der geht also eines Tages in sein Lieblingshosengeschäft und will endlich seine Hose abholen, die vor einigen Wochen extra für ihn angemessen und gefertigt worden ist. Er probiert das gute Stück und stellt fest, dass seine neue Hose noch immer nicht fertig ist. Der Schneider bekennt es seinem Kunden auch mit einem leisen Bedauern. Da wird der Kunde doch etwas ungehalten und sagt: „Gott hat die Welt in sechs Tagen erschaffen; und Sie Schneiderlein schaffen es nicht, mir eine schöne neue Hose in sechs Monaten zu machen!“ Da entgegnet der Schneider seinem aufgebrachten Kunden ruhig und freundlich: „Aber mein Herr, dann sehen Sie sich doch auch mal die Welt genau an - und was nach den sechs Tagen aus ihr geworden ist. Und dann sehen Sie mal hier auf Ihre fast fertige, schöne neue Hose! Die ist perfekt, wenn sie fertig ist!“

Recht hat er. Wie kann nur ein Kunde die Arbeit des Schneiders mit der Schöpfung der Welt vergleichen. Wo vieles in der Welt Risse oder Löcher hat, wird die Hose lange Bestand haben, wenn sie erstmal fertig ist. Und das braucht Zeit. Viel mehr als sechs Tage. Und Gott wird sich freuen über diesen deutlichen Hinweis. Weil Gott Humor hat. Und wir lachen dürfen über Gott und die Welt. Nicht nur dürfen, sondern auch müssen. Wo kämen wir hin, wenn alles nur ernst wäre und bliebe? Was würde aus uns, wenn Ärger und Schmerz immer das letzte Wort hätten? Das wäre furchtbar. Nein, manchmal muss ein Rosenmontag sein, der das Gewohnte einfach auf den Kopf stellt oder das Aufgeblasene zum Platzen bringt. Lachen ist ein Teil der Schöpfung. Lachen über sich selbst erst Recht. Wir überstehen vieles nur lachend oder gar nicht.

Und brauchen manchmal eine treffende Antwort, die alles Nötige sagt. Oder auch nicht. Die einfach die heiße Luft aus den Dingen holt. Aus den riesengroßen Fragen der Menschheit, die jeder stellt doch niemand so richtig beantworten kann. Zum Beispiel die ewige Frage nach Himmel und Hölle. Wo ist der Himmel, wo die Hölle? Und wer kommt wohin und wann? Das wird der Amerikaner Mark Twain (1835 – 1910) einmal gefragt, und der zögert nicht lange. „Oh, ich bedaure“, sagt da der Schriftsteller, „über Himmel und Hölle will ich Ihnen lieber nichts sagen, da muss ich ganz vorsichtig sein. Ich habe nämlich Freunde an beiden Orten.“