Patchwork-Glaube
„Ich glaube nicht an Gott, aber wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann bete ich schon.“ Offenherzig bekennt die 17-jährige Lisa, dass sie normalerweise mit Gott und Glauben nichts im Sinn hat. Getauft ist sie nicht. Den Religionsunterricht besucht sie trotzdem. ‚Das hat für mich mit Religion zu tun‘, ist der Stundenimpuls. Die 16 bis 18- jährigen Schülerinnen und Schüler zieren sich nicht, wenn es um ihre religiösen Einstellungen geht. „Glauben hat mit Kirche nichts zu tun“. Denise erzählt, dass ihre Brüder aus der Kirche ausgetreten sind. „Aber glauben tun die trotzdem“. Die Glaubensvorstellungen sind vielfältig. Klar gibt es gut und böse, Himmel und Hölle. Jeder ist zu allem fähig. Man muss positiv denken. Ob nach dem Tod etwas kommt – wer weiß. Schön wäre es. Ideen von Wiedergeburt, von Engeln, dem Teufel – so ziemlich alles ist in der Runde vorhanden.
Ich habe ‚hessische Schüler‘. Sie bestätigen eine Umfrage des Hessischen Rundfunks. „Was glauben die Hessen?“. Vor 8 Wochen wurden die Ergebnisse vorgestellt. Die Hessen halten viel von der Kirche. Finden aber in der Kirche – ob evangelisch oder katholisch – keine Antworten auf die Fragen, die sie wirklich bewegen. Das sagen 72 Prozent der Befragten. Fast drei Viertel der Hessen glauben an ein ‚Geheimnis‘, das es hinter oder über unserem Leben gibt. Auch an eine ‚höhere Macht‘ - Gott - wird geglaubt. Dass der sich in Jesus gezeigt habe, bejaht kaum jeder Zweite. An Wunder glauben die Hessen. Und an Engel. Einen Sinn muss man seinem Leben selbst geben. 55 %haben eine vage Vorstellung, dass es nach dem Tod noch etwas gibt. Die ‚Seelen’ der Toten werden in einer himmlischen Sphäre gedacht. Die Hessen basteln sich jenseits der Kirche ihr religiöses Glaubenskleid. Von einem Patchwork-Glauben könnte man sprechen. Wie ein bunter Flickenteppich ist der individuelle Glaube. Ein Flicken von hier, einer von da. Ganz nach meinem Gusto. Abseits von kirchlichen Dogmen und tradierten Glaubensvorstellungen.
Als Religionslehrer an der Schule erlebe ich diese Patchwork-Religiosität bei meinen Schülern täglich. Und ich erzähle von meinem Glauben. Dass ich an einen persönlichen Gott glaube. Der mich kennt. Um mich weiß. Der einen Weg für mich hat. Und ich erzähle das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Wie Jesus von Gott als Vater erzählt, der voller Liebe wartet. Auf sein Kind. Wie er den Sohn in die Arme schließt. Ihn aufnimmt und das Fest des Lebens mit dem Wiedergefundenen feiert. Dieses Gottesbild lässt mich beten: „Vater unser im Himmel“. Das gehört zu meinen Glauben dazu.