Nachrichtenübermittlung
Viel hat sich verändert in der Übermittlung von Meinungen und Botschaften. Ich habe noch gelernt, Kritik dort anzubringen, wo sie ankommen soll, also direkt bei dem Menschen, der aus meiner Sicht Kritik verdient hat. Man führt keinen Menschen in einer größeren Gruppe vor! Seit einiger Zeit ist das anders geworden. Das habe ich zunächst bei meinen E-Mailkontakten gemerkt. Da schreibt ein Kollege Mails an eine ganze Gruppe, und ein einzelner schreibt seinen persönlichen Ärger über den Absender wieder an die gesamte E-Mailempfängergruppe. Warum schreibt er mir, was ihn am andern stört? Geht das wirklich alle etwas an? habe ich mich gefragt. Mein E-Mailpostfach ist mir dafür eigentlich zu schade. Früher hat man manches vertraulich unter vier Augen besprochen. Dann wurden Missverständnisse aus der Welt geschafft. Heute werden sie, so war mein Eindruck bei den E-Mails, erst einmal in die Welt gesetzt.
Inzwischen habe ich verstanden, dass hier eine neue „Kultur“ begonnen hat, die mit Facebook so richtig in die Welt kam. Da werden Dinge besprochen, die man sich niemals trauen würde, einem anderen direkt ins Gesicht zu sagen. Durch Freundschaftsanfragen, denen man zustimmen kann, wird man Teil eines „Freundeskreises“, dem man Wichtiges und Alltägliches erzählen kann. „Ich bin gerade im „Kauf-Land“ hat einer geschrieben und damit informiert, wo er sich befindet. Vielleicht kriegen andere ja auch Lust, dorthin zu gehen, vielleicht sogar ihn dort zu treffen. Auch in der Kirche hat Facebook längst Raum eingenommen. Ein Pfarrer schrieb in Facebook: Ich gehe jetzt in die Kirche, um mit der Band den Abendgottesdienst vorzubereiten. Der Erfolg war groß. Es kamen viele Facebookfreunde zum Gottesdienst. Und manche, die es nicht schafften, fragten an, ob sie nachher noch mal vorbeischauen könnten. Eine neue Welt der Kommunikation. Da sind viele empfangsbereit für alles, was jemand einbringt, sie sitzen erwartungsvoll vor dem Computer oder schauen aufs iPhone, um umgehend in rasender Geschwindigkeit reagieren zu können.
Meinungen entstehen auf diese Weise. Es ist toll, dass viele Menschen, die offensichtlich jahrelang ihre Meinung zurückgehalten haben, sich endlich wieder äußern. Ohne ein Wort zu sagen, sind sie sprachfähig geworden und bestimmen mit, was allgemein gültig oder gängig ist. Aber ist Masse wirklich Klasse? Was setzt sich durch? Gute Argumente oder sogenannte Biertischgedanken? Beides steht nebeneinander und es bleibt die Frage: Wie werden verbreitete Nachrichten aufgenommen und weitertransportiert?
„Hätte ich bloß geschwiegen”, hat bestimmt jeder schon mal geseufzt. Doch vielleicht erinnert sich der eine oder andere auch an zahlreiche Gelegenheiten, bei denen er versäumt hat, etwas zu sagen, und rückblickend dachtet: „Hätte ich bloß etwas gesagt!” Genau hier sind wir gefragt: Zu entscheiden, wann man redet und wann man schweigt, auch auf Facebook. Schon die Bibel erklärt: “Es gibt eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden” (Prediger 3,7). Und nicht ganz unwichtig bleibt die Frage: „Wobei mache ich mit?“