Daumen hoch
Gladiatorenkampf im alten Rom. Das Kolosseum ist bis auf den letzten Platz ausverkauft. Die Zuschauer blicken gebannt auf die beiden Männer in der Arena. Die haben ihre Schwerter gezogen und gehen aufeinander los. Immer wenn einer den anderen trifft, geht ein Aufschrei durch die Menge, halb Ergötzen, halb Entsetzen über das blutige Spiel. Schließlich hat ein Gladiator den anderen niedergekämpft. Der Verlierer liegt am Boden, kann sich nicht mehr wehren und erwartet den Todesstoß. Da geht die Frage an die Zuschauer: Soll der Verlierer sterben oder leben? Daumen hoch oder Daumen runter?
Die Szene gibt es in vielen Filmen über das alte Rom. Ob es die Zeichensprache „Daumen hoch“ in der römischen Arena tatsächlich gab und wenn ja, wie sie verwendet wurde, ist umstritten. Sie könnte auch genau das Gegenteil von dem bedeutet haben, was wir heute damit ausdrücken. „Daumen hoch“ hätte für das gezogene Schwert stehen können. Also nicht „Daumen hoch – er darf leben“, sondern „Daumen hoch, Schwert raus – er soll sterben.“
Heute ist „Daumen hoch“ nur positiv. Die Geste ist bei Facebook, der Freundesmaschine im Internet sehr populär. Mit dem Button „Daumen hoch“ kann man ausdrücken „like it – gefällt mir“. Wenn ich einen Kommentar von jemandem gut finde, kann ich ganz einfach meine Zustimmung ausdrücken und „Daumen hoch – gefällt mir“ anklicken. Auch wenn ich kein Nutzer von Facebook bin, begegnet mir das Symbol „Daumen hoch“ immer häufiger. Es ist sogar in den Sprachgebrauch eingegangen. Ein Schüler neulich im Unterricht stöhnte: „Warum muss ich denn meine Meinung hier immer begründen? Kann ich nicht einfach „liken“?“
Manche Kritiker sehen in „Daumen hoch – gefällt mir“ den Niedergang von Gesprächskultur. Früher hätte es noch so etwas wie eine eigene Meinung gegeben. Heute würde man nur noch der Masse folgen und einfach „Gefällt mir“ anklicken, wo schon möglichst viele vor mir auch Daumen nach oben gezeigt haben. Keine Diskussion, kein Für und Wider, keine Begründung der eigenen Meinung mehr nötig. Einfach nur klick – Daumen hoch, like it, gefällt mir.
Nachplapperer und Mitläufer gab und gibt es immer. Und natürlich sollte man nicht blindlings „Gefällt mir“ anklicken, wenn man gar nicht genau weiß, worum es geht. Aber vor der Aufgabe stehe ich immer, ob in einer Konferenz, beim Gespräch über den Gartenzaun oder eben im Internet. Ich finde es sympathisch, einem anderen einfach ein „gefällt mir“ geben zu können. Für und Wider, Hin und her, weiß nicht, vielleicht – das gibt es ja zum Glück auch noch.
Jesus sagt in der Bergpredigt: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.“ (Matthäus 5, 37) Es geht Jesus um Verlässlichkeit, darum, dass ich zu dem Wort stehe, das ich einem anderen gebe, und dass dieses Wort eindeutig ist. Ein Bekenntnis, das so gemeint ist, wie ich es gesagt habe. Nicht nur im Internet, sondern auch in der Welt zum Anfassen ein eindeutiges, klares, sympathisches „Gefällt mir“ bekommen und anderen geben – das gefällt mir.