Zuhause oder Daheim
Sie heißen Gregor oder Wladimir, Oxana oder Jekatharina - und wir nennen sie Russlanddeutsche. Na ja, das stimmt irgendwie, obwohl solche Begriffe auch immer ein wenig abschätzig klingen können. Gregor und Oxana sind in Kasachstan oder der Ukraine geboren, aber eigentlich sind sie Deutsche. Ihre Eltern in Russland wurden zwangsumgesiedelt, als Deutschland 1941 Russland überfiel. Vor Jahren sind viele Familien wieder nach Deutschland gekommen, und vielen geht es gar nicht so gut. „In Russland haben sie uns immer ‚Deutsche’ geschimpft“, hat mir eine ältere Frau erzählt, „und hier sagen sie immer ‚Russen’ zu uns.“ Das ist nicht schön. Sind sie hiuer nun Daheim – oder nur Zuhause?
Morgen treffen sich viele von ihnen und denken an die alten Zeiten. Morgen ist der Tag der Russlanddeutschen (seit 1982). Sie wollen einfach Daheim sein in Deutschland, die Deutschen aus Russland. Aber wie sollen sie das machen? Man hört ihrer Sprache an, dass sie hier nicht aufgewachsen sind. Man merkt auch schnell, dass sie eine ganz andere Geschichte haben. Es gibt vor allem Männer unter ihnen, die werden straffällig aus lauter Ärger oder Wut. In Kasachstan waren sie Lehrer, hier müssen sie Hausmeister sein, weil ihre Ausbildung nicht anerkannt wird. Oder sie waren Kindergärtnerin und sind jetzt Putzfrau. Die Wurzeln sind alle weg. Aus Kasachstan wollten sie fort, und hier kommen sie nicht richtig an. Ob ich ihnen dabei helfen kann, bei uns auch daheim zu sein?
Ich könnte es wenigstens mal versuchen. Es genügt oft schon, wenn ich sie ernst nehme. Ja, viele kommen hier nicht so gut zurecht. Deswegen sind sie aber nicht minderwertig. Ich bin jetzt Teil ihrer Heimat. Das will ich sie spüren lassen beim Einkaufen, auf der Straße oder im Bus. Auch in der Kirche. Oft sind es sehr fromme Menschen. Religion war ein großer Teil ihres Lebens. Aber sie kennen kaum unsere Lieder oder Texte aus der Bibel. Dabei könnte ich helfen. Dafür haben sie Kirchenlieder aus Russland, die könnten auch wir ja manchmal singen oder lernen. Vielleicht könnte jemand den Kindern bei den Schulaufgaben helfen? Daheim sein heißt vertraut sein. Daheim ist immer das Vertraute. Kenne ich eigentlich die Namen der Nachbarn, die damals aus Kasachstan gekommen sind? Kenne ich ihre Verwandten? Oft sind sie sehr Familienfreundlich und immer hilfsbereit. Sie helfen mir bestimmt, wenn ich sie darum bitte. Daheim bin ich da, wo ich weniger Angst haben muss. Das könnte ich ihnen zeigen, der Oxana, dem Gregor und ihren Kindern. Dann sind sie hier schneller daheim.