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Sprache der Zukunft

Sprache der Zukunft

Ein altes Wort sagt: Die Welt geht nicht unter, solange Menschen beten. In diesem Sinn pflegen manche Menschen einen schönen Brauch: Sie haben ein Notizbuch. Darin stehen, um sie keinesfalls zu vergessen, die Namen von Menschen, für die sie beten wollen. Etwa Morgens zu Beginn des Tages. Und so wird Tag für Tag ein unsichtbares Netz der Zuneigung geknüpft.

Und doch: Das ist eine eher kleine Minderheit. Für sehr viele Menschen ist Beten zu einer Fremdsprache geworden. Vielleicht kennen sie einige Kindergebete und das Vaterunser. Irgendwie. Aber die tägliche Zwiesprache mit Gott? Die Meditation eines Psalms, eines Chorals? Doch auch wenn wir jetzt ein oft schmerzliches Absterben alter Selbstverständlichkeiten erleben und viele Menschen in einer Wüste religiöser Sprachlosigkeit leben, – es bleibt, meist unerkannt, eine Sehnsucht. Wenn ich einen Hausbesuch mache, etwa bei einem runden Geburtstag oder in einem Trauerfall und zum Schluß ein Gebet spreche, ist das häufig wie ein Ausflug in eine fremde Welt. Allerdings sind die Menschen meistens dankbar. Gerade dafür. Und oft setzen sie das eigentlich schon beendete Gespräch fort und kommen jetzt erst zu wesentlichen Fragen. Das Gebet hat innere Türen geöffnet.

Seit Jahrzehnten geht mir das Wort eines Kollegen nicht aus dem Kopf: „Auch ich kann nicht beten. Ich glaube, man sieht uns allen an, dass wir nicht beten können. Man sieht es denen an, die weiterhin beten oder zu beten meinen. Dennoch kann ich mir die Sprache einer besseren Zukunft nicht vorstellen ohne etwas wie Gebete.“ (Kurt Marti, Zärtlichkeit und Schmerz,1979, S.117) Die Sprache einer besseren Zukunft, Gebete. Wir können sie nicht machen, so wie man ein Ding herstellt. Immerhin steht an prominenter Stelle in der Bibel der Satz „Wir wissen nicht, was wir beten sollen“, so im Römerbrief des Paulus.

In diesem Sinne betete Martin Luther: „Siehe, Herr, ich bin ein leeres Gefäß, das bedarf sehr, dass man es fülle. Ich habe keinen festen, starken Glauben, ich zweifle zuzeiten und kann dir nicht völlig vertrauen. Ach Herr, hilf mir, mehre in mir den Glauben und das Vertrauen. Alles, was ich habe, ist in dir beschlossen.“

Gebete sind keine religiöse Pflichtübung. Man kann damit keine himmlischen Pluspunkte verdienen. Gebete sind Kinder des Glaubens und der Hoffnung. Das heißt: Gottesgeschenke. Ich muss sie freilich annehmen. Dann öffnen sie das Fenster meines Herzens. Die kleine Welt meines Ich mit seinen Freuden und Ängsten kann aufatmen und wird Teil eines großen Ganzen. Noch einmal Martin Luther: „Herr Jesus Christus, du hast uns geheißen im Vaterunser zu bitten: Dein Reich komme. Hilf, dass wir fleißig darum bitten und daneben fest glauben, dass wir am Ende zu dieser Herrlichkeit kommen werden.“ Das Gebet – die Sprache einer besseren Zukunft ...