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Reformationstag

Reformationstag

Was hat die Stadt Wittenberg mit der Wallstreet in New York gemeinsam? Es ist mehr als nur der Anfangsbuchstabe „W“. Es ist das Thema „Geld“. In der Wallstreet pulsiert der Herzschlag der globalen Weltwirtschaft. Geld regiert die Welt. Und in den vergangenen Wochen protestierten junge Amerikaner gegen die soziale Ungerechtigkeit, die mit den großen Geldgeschäften verbunden ist. Inzwischen haben sich die Proteste weltweit verbreitet. Und Wittenberg? Auch dort ging es einmal um einen Protest gegen den Geldmissbrauch.

Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther fünfundneunzig Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg, – Hammerschläge, die die Welt veränderten. Luthers Protest hatte das kirchliche Geschäft mit den Ablassbriefen zum Thema. Das war ein Geschäft mit der Angst. Denn nach dem Tod, so die damalige Lehre, mussten die Seelen der Gläubigen zunächst ins Fegefeuer, um von ihren Sünden geläutert zu werden. Diesen bitteren Umweg ins Paradies kann man abkürzen, versprachen die Verkäufer der Ablasszettel. Wer viel spendet, kommt schneller in den Himmel. Das Geld der Gläubigen bleibt freilich auf der Erde. Ganz konkret: es wurde zum Bau der Peterskirche in Rom verwendet.

Luther war empört. Gott ist doch nicht käuflich! Seine Gnade ist grundsätzlich gratis. Deshalb die erste der 95 Thesen: „Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: ‚Tut Buße‘ da wollte er, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße ist.“ Das Wort „Buße“ ist heute allerdings missverständlich. Bei Luther bedeutet es nicht andauernde Zerknirschung. Es meint vielmehr die beständige Hinwendung zu Gott. Das ganze Leben der Gläubigen soll allein von der Liebe zu Gott und den Mitmenschen bestimmt sein. „Denn,“ so Luther, „durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe, und der Mensch wird dadurch besser.“ Deshalb muss man, „die Christen darüber aufklären, dass sich jemand, der einen Bedürftigen sieht und ohne ihn zu beachten, Ablass kauft, nicht die Gnade des Papstes, sondern den Zorn Gottes zuzieht.“ Und überhaupt: „Warum baut der Papst, der doch heute mehr Geld hat als der dickste Geldmensch des Altertums, nicht wenigstens die Peterskirche lieber mit eigenen Mitteln,

als mit den Spenden der armen Gläubigen?“ – Das traf den Nerv der Zeit. In Kürze wurden die 95 Thesen in ganz Deutschland diskutiert. Luther hatte sie auch zur Information an die zuständigen Stellen geschickt. Doch man schickte die Thesen nach Rom, und der Prozess gegen den aufsässigen Mönch zu Wittenberg wurde eingeleitet.

Damit hatte die Reformation begonnen. Große Anstrengungen der Reformatoren galten unter anderem der sozialen Gerechtigkeit. Sie erreichten eine bessere Versorgung armer und kranker Menschen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Einrichtung der „Tafeln“ für Hilfsbedürftige durch Kirchengemeinden und das Diakonische Werk. Leider aber ist die Verführungskraft des Geldes keineswegs gebrochen. Die Botschaft des Reformationstages bleibt aktuell: Das Leben der Menschen gehört nicht dem Kapital, sondern Gott.