Losung
Ein gutes Wort für jeden Tag. Das war die Idee. Am 3. Mai 1728 gibt Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf in Herrnhut in der Oberlausitz solch ein Wort aus. Einen Liedvers. Von ihm gedichtet. Die Glaubensflüchtlinge, die sich auf dem Land des Grafen angesiedelt haben, sollen den Vers während des Tages bedenken. Darüber miteinander ins Gespräch kommen. Zuspruch und Anspruch soll der Glaubenstext ihnen sein. In den Folgetagen gehen Gemeindeglieder von Haus zu Haus und teilen den Bewohnern Herrnhuts eine ‚Losung‘ aus. Ein Wort für den jeweiligen Tag. Das war vor 283 Jahren der Anfang dessen, was sich als ‚Losung‘ im Losungsbüchlein der Herrnhuter Gemeinde bis heute erhalten und verbreitet hat. 1731 erscheint das erste Losungbüchlein. „Ein guter Muth“ ist es überschrieben.
Für Zinzendorf, den Erfinder der Losungen, waren zwei Aspekte leitend: Gott meint es gut mit mir. Das sagt mir sein Wort. Die Bibel. Sie will ich täglich hören. Und in meinen Alltag übertragen. Das ist das eine.
Das andere: Beim Lesen der Losung ist der Einzelne eingebunden in die Gemeinschaft mit den anderen Losungslesern. Ich weiß, dass in anderen Häusern und Familien ebenfalls das Losungsbüchlein aufgeschlagen wird. Das schafft Gemeinsamkeit, auch wenn man nicht beieinander sein kann. Ein Wort für mich. Für jeden Tag. Damit ich daran reife, lerne. Auch: mich hinterfragen lasse. In 52 Sprachen auf allen Kontinenten wird heute die Losung gelesen. Allein in Deutschland in über einer Million Haushalten. Der Losungsvers wird aus einer Sammlung von alttestamentlichen Sätzen ‚gelost‘. Dieser ‚Losung‘ wird ein Wort aus dem Neuen Testament zugeordnet. Und ein Gebet.
Ich bin Losungsleser. Sie gehört für mich zum Tag dazu. Manchmal lese ich sie aus Gewohnheit. Oft bleibt das Bibelwort stumm. Sagt mir nichts. Aber ich kenne auch Tage, da scheint es, als ob der Vers wie für mich bestimmt ist. Es passiert, dass ich durch das Bibelwort Ermutigung erfahre. Manchmal bringt es mich aber auch ganz schön ins Grübeln, ob sich bei mir nicht etwas ändern müsste. Heute lese ich: Meine Stärke und mein Loblied ist der HERR, und er ward mein Heil. (Psalm 118 Vers 14). Das ist ein schöner Zuspruch. Was mir heute auch widerfährt, die Losung erinnert mich, dass Gott meine Stärke ist. Nicht ich muss alles richten. Er will Dinge heil machen. Das habe ich in meinem Leben ja schon erlebt. Und ich vergesse es so schnell.
Die Losung hat etwas von einem Lebens-Mittel. Eine Tagesration, die mich stärkt. So wie es mit Gottes Wort eben ist. Damit es mich anspricht, schreibe ich die Losung auf einen Zettel und trage sie mit mir in der Hemdentasche. Über den Tag schaue ich immer wieder mal darauf. Damit es sich mir einprägt, dass ich auch diesen Tag heute nicht allein bestreiten muss.