Gott hinter der Leinwand: Schlafkrankheit
Diesen Film anzuschauen, war für mich Pflicht. Er heißt „Schlafkrankheit“ und spielt in Kamerun. Ich bin selbst mehrfach in diesem westafrikanischen Land gewesen. „Schlafkrankheit“ erzählt von Ebbo, einem deutschen Entwicklungshelfer. Einem Arzt, der zwanzig Jahre dort gearbeitet hat und nun mit seiner Frau zurück nach Deutschland soll. Endlich, so könnte man von außen meinen, wenn man im Film all die afrikanischen Verhaltensweisen mitbekommt, mit denen alle nur von dem reichen Deutschen profitieren wollen. Endlich, so könnte man auch meinen, wenn man sieht, was man als Deutscher in Afrika nicht an gewohntem Lebensumfeld hat. Aber als Ebbos Frau beim Schwimmen im Fluss sagt: „Ich werde das alles vermissen“, da erwidert Ebbo: „Wir müssen doch hier nicht weg.“ Und ich denke zu verstehen, was er meint. Manches von dem, was wir in Deutschland für unverzichtbar halten, relativiert sich in Afrika. Wir profitieren nicht nur von unserem Luxus, wir sind durch ihn auch mächtig eingespannt. Er bedeutet noch lange nicht automatisch mehr Lebensqualität. Ebbos Frau und Tochter fliegen allein zurück nach Deutschland. Ebbo will nachkommen, aber im zweiten Teil des Filmes sieht man: Er hat es nicht geschafft. Seine Bindung an diesen Kontinent ist stärker geworden als die an seine Familie.
Zeitblende im Film. Drei Jahre sind vergangen. In einem Vortrag in Paris hinterfragt ein Professor die Politik der Entwicklungshilfe. Eine Regierung, die nicht auf Steuern angewiesen sei, meint er, müsse nicht effektiv arbeiten. Wechselseitiger Handel, nicht einseitige Hilfe sei die Lösung. Entwicklungshilfe begünstige nur die ohnehin Privilegierten. Das klingt theoretisch ganz gut. Es lässt sich leicht sagen, wenn man selbst nicht auf Hilfe angewiesen ist. Natürlich bleibt einiges auf der Strecke und kommt nicht nur dort an, wofür es gedacht ist. Aber ohne solche Hilfe würde es viele Projekte nie geben und die Not der betroffenen Menschen wäre noch größer.
Ein Zuhörer dieses Vortrages bei der WHO, Dr. Nzila, wird jetzt beauftragt, ein Projekt in Kamerun zu evaluieren. Seine Eltern stammen zwar aus dem Kongo, aber er wurde in Europa geboren und hat wenig Ahnung von Afrika. Und er trifft in diesem Projekt auf den Deutschen Ebbo, der mit Afrika regelrecht verwachsen ist. Zu verwachsen, wie sich zeigt. Schnell stellt sich heraus, dass Ebbos Projekt zur Bekämpfung der Schlafkrankheit nur noch ein Scheinprojekt ist. Es gibt nur noch einen einzigen Patienten in seiner Klinik. In Wirklichkeit baut Ebbo mit einem Freund eine Ferienanlage für Touristen. Ebbo hat den Absprung nicht geschafft und merkt, dass er selbst nicht die Kraft hat auszusteigen. Er selbst hatte den Antrag auf Evaluation gestellt. Das war sein Hilferuf. Als Dr. Nzila ihn fragt, was er denn in seinem Evaluationsbericht schreiben soll, sagt Ebbo: „Finanzierung stoppen, den Verantwortlichen nach Europa zurückschicken. Mein Schicksal ist in deiner Hand.“ Als Ebbo Dr. Nzila nachts zur Jagd mitnimmt, sehen sie sich das letzte Mal. Ebbo wird von einem Flusspferd getötet.
„Schlafkrankheit“ ist ein ehrlicher und ein trauriger Film: Einer, der als Helfer loszog, findet am Ende selbst keine Hilfe mehr. Er verfällt selbst in eine Art „Schlafkrankheit“. Wenn man sich nicht von etwas trennen kann, das vorbei ist, kommt man irgendwie um. Wenn man nur darauf wartet, dass andere einem Entscheidungen abnehmen, dann lebt man nicht mehr selbst. Entscheidungen nimmt einem übrigens auch Gott nicht ab. Aber er steht zu uns, wenn wir sie ehrlich treffen.