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Eine Sendung von

Pfarrer der Evangelisch-methodistischen Kirche, Saarlouis

Barbara

Barbara

Sobald es morgen früh hell geworden sein wird, werde ich einen Zweig vom Kirschbaum schneiden. Den Barbarazweig. Morgen ist Barbaratag.

Ende des dritten Jahrhunderts nach Christus hat sie gelebt, die Heilige Barbara. Ihr Name bedeutet: Die Fremde.

Barbara wurde von ihrem eigenen Vater gehasst, weil sie Christin geworden war. Durch nichts konnte sie dazu gebracht werden, ihren Glauben an Christus zu verleugnen. Schließlich lieferte der Vater Barbara an die römischen Behörden aus. Sie wurde gefoltert. Sexuell gedemütigt. Als sie ihrem Glauben noch immer treu blieb, wurde sie zum Tode durch Enthauptung verurteilt. Der Vater selbst, so erzählt die Legende, vollstreckte das Urteil; so groß war der Hass auf die fremd gewordene Tochter.

Ich werde den Barbarazweig in unsere schönste Vase stellen.

Sie leben heute: Christinnen und Christen, die um ihres Glaubens willen schikaniert werden und verfolgt. Je nachdem, wie man Verfolgung definiert, ob als Gefahr für Leib und Leben oder „nur“ als Benachteiligung, z.B. in Schule und Beruf, muss man von 100 bis 200 Millionen betroffenen Christinnen und Christen ausgehen. Das Christentum ist die am stärksten verfolgte und diskriminierte Religion der Welt. Das gilt nicht nur und bei weitem nicht immer, aber eben doch oft für muslimische Länder. Der „Arabische Frühling“, also die Revolutionen in etlichen arabischen Ländern in diesem Jahr, hat die Situation der Christen in diesen Ländern zumeist nicht verbessert, sondern verschlechtert. So begrüßenswert es ist, dass arabische Völker sich ihrer Diktatoren entledigt haben, darf das doch nicht verschwiegen werden. So haben z.B. seit der Revolution in Ägypten rund 100.000 Christinnen und Christen das Land verlassen.

In manchen Ländern, etwa dem Irak, muss man die Christenverfolgung als Versuch der Ausrottung bezeichnen. 850.000 Christen haben vor dem Einmarsch der US-amerikanischen Truppen 2003 im Irak gelebt. Heute sind es höchstens noch 300.000. Alle anderen mussten fliehen oder wurden ermordet. Von verfolgten Christen im Irak habe ich Bilder gesehen, die ich Ihnen nicht beschreiben kann, so schrecklich sind sie. Besonders berührt haben mich dabei die Bilder ausdrucksloser Kindergesichter. Diese Kinder mussten mit ansehen, was kein Mensch sehen müssen sollte: Vergewaltigung, Verstümmelung, Mord.

Bis Weihnachten soll der Barbarazweig blühen.

Sie leben unter uns. Menschen, die Angst haben vor Schikane und Gewalt. Weil sie fremd sind und zu einer Minderheit gehören. Gewiss gibt es bei uns keine organisierte Verfolgung, und das Recht versucht, alle gleichermaßen zu schützen. Und doch weist die Kriminalitätsstatistik für 2010 mehr als dreihundert Fälle von Gewalt mit fremdenfeindlichem Hintergrund aus. Das ist statistisch keine sonderlich erschreckende Zahl (was den Betroffenen allerdings nichts nützt).

Allerdings, jeder fünfte Deutsche hat mehr oder weniger ausgeprägt fremdenfeindliche Ansichten. Und das ist dann doch besorgniserregend.

Dass Menschen gegenüber Fremdem und Fremden zunächst ängstlich sind, ist ganz natürlich. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Ob man diese Scheu pflegt, so dass sie sich zur feindseligen Abgrenzung auswächst. Oder ob man sich um eine Haltung grundsätzlicher Offenheit bemüht.

Der blühende Barbarazweig ist ein Symbol für Christus. Das Leben ist mächtiger als der Tod. Die Liebe stärker als der Schrecken.

Und die Offenheit ist verheißungsvoller als die Abgrenzung. Daran will ich morgen am Barbaratag in besonderer Weise denken und ich will für alle Menschen beten, die verfolgt werden.