Arbeit im Weinberg
Vielleicht können Sie ja in diesen Tagen durch einen Weinberg gehen. Wenn schönes Wetter ist und sie Gelegenheit haben, gönnen sie sich einen Spaziergang. Vielleicht haben sie Glück und das milde Licht des Herbstes durchflutet alles in einem lichten Grün. Manchmal sind die langen Gänge auf beiden Seiten zu einem Tunnel geschlossen. Da rankt es dann, verschlingt sich, zeigt Trauben und Früchte. Wer jetzt keine Arbeit hat, sondern einfach nur mit offenem Auge hindurch geht, müsste schon ein Herz aus Stein haben, wenn er hier nicht einen Ort der Liebe und des Festes sehen kann.
Aber nicht jeder Mensch geht in den Weinberg, um nur zu schauen. Der Winzer geht hinein, um hier zu arbeiten. Er sieht die Reben und denkt an die Zeit der Ernte. Und danach im Winter kommt der Rückschnitt. Das bedeutet harte Handarbeit. Deshalb, so erzählt es Jesus, hat der ältere Sohn eines Weinbergbesitzers keine Lust, als ihn der Vater anspricht: „Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg“ (Matth. 21, 29). Klare Ansage des Vaters, auf die eine ebenso klare Antwort des Sohnes erfolgt: „Nein, ich will nicht. “. Dann, erzählt Jesus, änderte er seinen Entschluss: Er geht doch an die Arbeit, jätet, schneidet und tut bis zum Abend alles, was eben zu tun ist.
Der Vater hat noch einen zweiten Sohn. Der hat zwar genauso wenig Lust zur Arbeit, sagt aber: Ja, ich will‘s tun - und geht dann nicht hin. Und sagt es dem Vater nicht. Er wählt den bequemen Weg, den Vater auflaufen zu lassen. Es ist aber auch der Weg, der Vertrauen zerstört. Ein zweites Mal wird sich der Vater nicht auf seine Zusage verlassen.
Bei dem älteren fasziniert mich die kleine Zeit zwischen Ablehnung und Umkehr. Offenbar hat es zwei gebraucht, damit das Richtige geschah. Der Vater, der vielleicht zornig ist, aber den Sohn nicht zwingt. Ohne Zwang entsteht für den älteren Sohn eine kurze Zeit der Freiheit. Er nutzt sie und findet den Mut. Er revidiert seinen ersten Entschluss und kehrt um in den Weinberg.
Der Weinberg ist biblisch ein Bild der Arbeit und des Liebens, also ein Ort des bunten, wahren Lebens. Gott gibt uns die Freiheit, „Nein“ zu sagen, wenn die Arbeit ruft. Aber gibt auch den Mut den falschen Entschluss zu revidieren. So entsteht Vertrauen.