Hilfe zum Leben statt Sterbehilfe
Anmoderation: Sie waren ein Leben lang zusammen und wollten das auch im Tod noch sein, die einst weltbekannten Zwillinge Alice und Ellen Kessler. Das Kinderballet der Leipziger Oper war der Anfang ihrer Tanzkarriere. Dann gingen die beiden nach Düsseldorf, Paris, Las Vegas. Sie tanzten, sangen und spielten auf den Bühnen der ganzen Welt. Bis ins hohe Alter waren sie zusammen aktiv. Diese Woche haben sich die Kessler-Zwillinge gemeinsam das Leben genommen. Gedanken dazu von Pfarrer Peter Kristen aus Limeshain.
Ein unzertrennliches Duo
„Wir wollen niemals auseinander geh‘n“, haben sie gesungen, [Alice und Ellen Kessler]. Glamour und Glitzer, das war ihr Leben, tanzen und singen im Duett. Es scheint als konnten sich beide nicht vorstellen, ohne die andere weiterzuleben. Also haben sie den Gleichschritt in ihrem Leben auch auf ihr Sterben ausgeweitet. Mit der Hilfe anderer haben sie ihr Leben selbst beendet.
Alternative Wege im Umgang mit Trauer und Leid
Das mag harmonisch und folgerichtig erscheinen, fast romantisch. Aber aus meiner Erfahrung als Krisenseelsorger weiß ich: Es ist auch eine Gewalttat, so selbstbestimmt und legal sie auch sein mag.
Gibt es Alternativen? Was hätte anders sein müssen, so dass Alice ihrer Schwester Ellen vielleicht beim Sterben die Hand gehalten hätte, oder umgekehrt?
Bedürfnis nach Würde und Selbstbestimmung
Ich habe darüber mit meiner Freundin Annette gesprochen. Sie ist Klinik- und Hospizpfarrerin. Sie sagt: „Sätze wie: So, will ich nicht mehr leben…“ höre ich öfters, wenn Menschen so schwer erkranken, dass es keine Heilung gibt und sie starke Schmerzen haben. Wenn ich dann genauer nachfrage, heißt das aber nicht, „ich will sterben, hilf mir dabei“. Es heißt eher: Hilf mir, weiter selbstbestimmt zu bleiben, dass mein Wille zählt, dass ich weiterhin ernst genommen werde und würdevoll behandelt bis zum Lebensende. Dass ich keine Schmerzen spüren muss, die ich nicht aushalten will.“
Lebensqualität, Hilfe und Beistand im Hospiz
Meine Freundin räumt ein: Was das Leben lebenswert macht, das ändert sich. Aber Lebensqualität – die kann bis zum Ende bleiben. Ich kann nicht mehr in den Garten gehen. Aber weil andere mir helfen, fühle ich noch einmal die Erde in meinen Händen und rieche ihren Duft. Im Hospiz, auf Palliativstationen, in Pflegeheimen und zuhause machen das Menschen miteinander möglich: sie lindern Schmerzen, pflegen, leisten Beistand - und beten.
Sterbebegleitung statt Sterbehilfe: Selbstbestimmt und würdevoll leben bis zum Ende
Viele Menschen unterstützen das. Sie engagieren sich ehrenamtlich im Pflegeheim oder Hospiz. Sie tragen dazu bei, dass offen gesprochen wird über das Sterben und den Tod, sie trauen sich, mit todkranken Menschen im Kontakt zu bleiben.
Wo das geschieht, wollen Menschen nicht mit der Hilfe anderer sterben, da können sie mit der Hilfe anderer leben, selbstbestimmt und würdig bis zum Ende.