hr1 ZUSPRUCH
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Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Roßdorf

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Alles blau

„Hier, das ist rosa“, habe ich als kleines Mädchen oft gehört, „Rosa, das musst du doch mögen.“ Schon als Kind fand ich das ziemlich doof. Rosa hat so gar nicht zu mir gepasst. Meine Lieblingsfarbe war schon damals Blau.

Alles sollte blau sein. Ein blauer Schulranzen und das passende Mäppchen dazu. Das blaue Fahrrad, eine blaue Mappe für wichtige Unterlagen.

Den Erwartungen entsprechen

Mit der Pubertät kamen dann die Zweifel: In der Werbung, im Fernsehen und in Zeitschriften war vieles, was sich an Frauen richtet, rosa. Und ich dachte: Ich bin eine Frau. Also sollte ich Rosa mögen. Ich wollte unbedingt den Erwartungen und diesem typischen Frauenbild entsprechen. Aber so sehr ich mich bemüht habe: Es ist mir nicht gelungen. Ich war unzufrieden.

Eine Farbe sagt nichts über die Person

Heute als Erwachsene kann ich leichter sagen: Blau gefällt mir. Denn ich weiß jetzt: Eine Farbe sagt nichts über Weiblichkeit oder Männlichkeit aus. Und damit auch nichts über mich als Person. Was ich mag, oder nicht mag, welche Hobbys ich ausübe, was ich gerne anziehe oder welche Musik ich höre – das sind Eigenschaften und Vorlieben von mir, die sich nicht an Farben orientieren lassen. Am Ende zählt, dass ich mich so akzeptiere wie ich bin und mich wohlfühle in meiner Haut. Das heißt auch: Ich muss Rosa nicht mögen, um mich weiblich zu fühlen. Farben sind bunt – und so sind auch wir Menschen.

Gott ist beides: männlich und weiblich

Diesen Gedanken finde ich in der Bibel. Da gibt es den Satz: „Gott schuf die Menschen nach seinem Ebenbild. Gott schuf sie männlich und weiblich.“ (Gen 1,27) Also: Wir Menschen sind wie eine Kopie von Gott, und zwar männlich und weiblich. Für mich heißt das: Gott ist beides. Männlich und weiblich. Rosa und blau. Und alles dazwischen. So wie ich bin, gefalle ich Gott. So bin ich genau richtig.

Mich stärkt diese Vorstellung. Weil sie mich nicht begrenzt, sondern das Bunte der Menschen abbildet. So gefalle ich mir und ich kann sein wie ich bin, mit meinen Gefühlen und Vorlieben – auch bei Farben.