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Eine Sendung von

Pastor, Hanau

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The Köln Concert

„Ich spiele das Konzert nicht! Ich reise ab!“ Das sagte der Jazzpianist Keith Jarrett 1975 in Köln. Er hatte einen ganz bestimmten Klavierflügel bestellt. Aber auf der Bühne stand ein absolut minderwertiges Instrument. Manche Tasten klemmen, nur die mittlere Tonlage ist gut gestimmt. Er will abreisen. Sofort. Doch die junge Veranstalterin, eine erst 18-jährige Schülerin, fleht ihn in schlechtem Englisch an, das Konzert doch zu spielen.

Eines der erfolgreichsten Solo-Jazzalben aller Zeiten

Schließlich willigt Keith Jarrett ein. „Ich spiele. Aber vergessen Sie es niemals: nur für Sie!“ Jarrett spielt. Hält sich im mittleren Tonbereich auf, umgeht kritische Tasten und hämmert auf das Klavier ein, weil es einfach nicht die normale Lautstärke erreicht. Die Aufzeichnung des Konzerts war abgeblasen worden, doch die Tontechniker machen einen Mitschnitt für sich. An einer Stelle hört man, wie Jarrett die Melodie des Pausengongs der Kölner Oper nachspielt und variiert. Der Mitschnitt dieses Konzerts gehört zu den erfolgreichsten Solo-Jazzalben aller Zeiten: The Köln Concert - das Kölner Konzert.

Aus einem Desaster wird ein Erfolg

Aus einem Desaster wird ein Erfolg. Weil Jarrett bereit war, über seinen Schatten zu springen und etwas zu wagen. Aus dem Vorhandenen das Beste zu machen. Sich überraschen zu lassen vom Leben und Unvorhergesehenes nicht als Bedrohung zu empfinden, sondern als Chance zu etwas Größerem. In diesem Moment verließ er seine Komfortzone als Künstler, ignorierte zumindest im zweiten Anlauf den Reflex, sofort abzureisen. Die junge Konzertveranstalterin wagte ebenfalls etwas und ließ sich von der Wut des berühmten Künstlers nicht einschüchtern. Und die Tontechniker? Hielten sich nicht an die Vorgaben. Wie gut. So blieb uns ein legendäres Konzert erhalten!

Dem Leben vertrauen

Gott liebt Überraschungen - die Bibel ist voll von solchen Geschichten. Und ermutigt dazu, sich unterbrechen und überraschen zu lassen. Nicht begrenzt zu bleiben vom manchmal begrenzten eigenen Denken. Dem Leben vertrauen - so könnte man diese Haltung auch nennen. Das bedeutet nicht, alles willenlos hinzunehmen - aber vielleicht kurz innezuhalten und dann das Unvorhergesehene anzunehmen. Vielleicht entsteht daraus etwas ganz Besonderes!