Kran und Himmelshaken
„Ich bin auch eher für den Kran“, sagt mein Sportkollege. „Und das mit dem Himmelshaken stimmt schon, so kann man die Welt heute nicht mehr erklären.“ Wir reden über ein Sprachbild des Biologieprofessors Richard Dawkins. Er verwendet es in seinem Bestseller „Der Gotteswahn“. Das Buch gilt als eines der Hauptwerke des sogenannten neuen Atheismus. Dawkins schreibt: Die Entstehung der Welt zu erklären, das geht nur mit der Evolutionstheorie. Komplexes entwickelt sich aus Einfacherem.
Und deshalb, sagt er, ist es auch sinnlos anzunehmen, dass am Anfang der Welt etwas so Intelligentes gestanden haben kann wie Gott. Alles, was man über die Welt wissen kam, muss fest auf Irdischem aufbauen – wie ein Kran – und sich dann in die Höhe schwingen. Alles Religiöse dagegen hängt nur an einem entbehrlichen Himmelshaken. Das hat auch meinem Kollegen eingeleuchtet. Das mit der Evolution ist in unserer technisierten Welt gut nachvollziehbar. So als seien damit schon alle Fragen beantwortet.
Ich meine aber, Kran oder Himmelhaken, Evolution oder Schöpfung, das ist keine Alternative. Es ist nicht ganz einfach zu erklären, ich versuch’s mal: Von Gottes Schöpfung zu reden, das ist eine Art, die Welt zu betrachten. Es geht um die Beziehung Gottes zu seinen Geschöpfen und den Auftrag an den Menschen, die Erde zu bebauen und zu bewahren. Ebenbild Gottes sein mit allen anderen Menschen, Geschöpf sein mit Tieren und Pflanzen, das ist eine Art, sich als Mensch in der Welt zu verstehen. Und Gott als jemanden, der diese Welt und jeden einzelnen Menschen will und bejaht.
Das schließt nicht aus, dass wir und alle anderen Lebewesen durch Evolution zu dem geworden sind, was wir sind. Darum brauchen wir heute auch die naturwissenschaftliche Sicht auf die Welt. Sie ist an Ursache und Wirkung und an der Entwicklung des Lebens interessiert. Schöpfung und Evolution sind komplementäre Weltsichten, nicht alternative. So wie es rot neben grün gibt. Man kann sie auch nicht gegeneinander abwägen, je mehr rot, desto weniger grün. Je mehr Kran, desto weniger Himmelshaken. Wir Menschen brauchen beides und werden von beiden bereichert.
Darum finde ich auch den Himmelshaken wichtig. Der Kran kann mich Stufe um Stufe heben. Der Himmelshaken zeigt mir, was mich trägt und hält im Leben und woran ich getrost mein Herz hängen kann.