Beziehungsnetz
Ich gehe heute Morgen zum Gottesdienst. Ziemlich ungewöhnlich an einem Montag. Nicht aber wenn ein neues Schuljahr beginnt. Heute ist es wieder so weit, der ganz normale Schulwahnsinn beginnt von neuem. Viele Lehrer und Schüler werden das wohl so sehen. Eltern dagegen freuen sich vielleicht, dass ihnen der normale Schulrhythmus wieder einen Teil der Verantwortung für ihre Kinder abnimmt.
Die Kleinen oder Mittleren sechs Wochen lang beaufsichtigen und bespaßen, das ist nicht gerade leicht. Wer hat denn sechs Wochen Sommerurlaub? Wenn das Ganze schon wieder losgehen muss, dann freuen sich Schülerinnen und Schüler am meisten darauf, ihre Freunde wiederzusehen. SMS und WhatsApp sind ja ganz schön, aber Freunde persönlich, regelmäßig zu sehen, das ist auch für sie etwas anderes. Viele solcher erster Wiedersehen nach den Ferien finden auch heute in der Kirche statt.
Heute ist dort zwischen den beiden ersten Bankreihen, vor dem Altar, ein richtig dickes Tau gespannt. Es erinnert an das, was trägt, an etwas, auf das man sich verlassen kann, etwas das hält, so wie die Versprechen Gottes, die Menschen durchs Leben tragen können. An das dicke Tau knüpfen die Lehrer, Schüler und Eltern mit eigenen Fäden an. Aus einer großen Kiste suchen sie sich dafür Stoffstreifen, Seile, Kordeln oder Fäden aus und knüpfen daraus miteinander ein großes, gemeinsames Netz.
Sie denken dabei an viele, tragfähige Beziehungen, die zusammen wie ein Netz sind, in dem man sich geborgen fühlen und getragen sein kann. Manche, bei denen gerade Knatsch in einer Freundschaft oder in der Familie herrscht, erinnert ihr Faden vielleicht daran, dass es manchmal auch nötig ist, das Netz zu flicken, wo es gerissen ist. Man kann mutig neu am Faden des anderen anknüpfen oder auch direkt am dicken Tau, das alles trägt.
In den Ferien haben das manche Familien erlebt: Wenn man mehr Zeit als normal miteinander verbringt, dann werden Konflikte spürbar und die muss man gemeinsam bearbeiten, oder man lernt das neu schätzen, worauf man sich im Alltag verlassen kann. Das Netz aus dem Gottesdienst hängen wir dann für ein paar Tage in der Schule auf. So sehen es alle und stärken hoffentlich gemeinsam das Beziehungsnetz, das durch das ganze Schuljahr trägt.