Die Relativität der Zeit

„Tausend Jahre sind vor dir wie ein Tag“ (Psalm 90, 4). Diesen Vers aus dem neunzigsten Psalm nenne ich gerne die „biblische Relativitätstheorie“. Ich denke dabei natürlich auch an Albert Einstein. Wobei ich zugeben muss: So richtig verstanden habe ich ihn nicht wirklich.

Dass Zeit aber relativ ist, das merke ich sogar beim Autofahren: Wenn ich wieder mal auf den letzten Drücker losgefahren bin, sind natürlich alle Ampeln rot. Das kommt einem wie eine Verschwörung vor. In Wirklichkeit bin ich aber einfach nur mal wieder zu spät losgefahren.

Nun werde ich ja aber auch älter und (hoffentlich) klüger. Und so verbiete ich mir, vor Abfahrt eben schnell noch mal dies oder jenes zu erledigen, denn ich weiß, dies oder jenes dauert in der Regel länger als gedacht. Völlig entspannt fahre ich also recht frühzeitig los, und merke, dass ich dennoch unruhig werde. „So komme ich doch viel zu früh!“ Dann kommen mir schon mal solche Wünsche in den Sinn, wie: „Ach könnte die Ampel jetzt doch auf Rot springen. Wenn das so weiter geht mit der Grünen Welle“ – und wie sehr wünschte ich sie mir in den anderen Fällen – „dann bin ich ja viel zu früh da.“ Das ist uncool. Und so rolle ich immer langsamer auf die grüne Ampel zu, in der Hoffnung, sie möge rot werden. Und mein Hintermann wird fast verrückt an mir. Er hofft, dass die Ampel doch auch für ihn noch grün bleiben möge. Er hat ein ganz anderes Zeitgefühl als ich in diesem Moment.

Das gilt auch für die verschiedenen Lebensalter. Je älter ich werde, desto schneller scheint die Zeit zu rennen. In der Jugend konnte ich es kaum erwarten, dass es voran geht.

Unsere Zeit ist relativ. „Denn tausend Jahre sind vor dir wie ein Tag.“ Ich will daran denken, ob die Ampel nun auf rot springt oder auf grün. Ich will daran denken, wenn die Tage wie im Flug vergehen. Egal, wie ich es empfinde, das ist mein Trost:
Wir sind geborgen in Gottes Zeit und Ewigkeit.