Cybermobbing
Ein Smartphone zum elften Geburtstag und Lukas war glücklich.„Was, Du hast noch kein Handy?“, hatten manche schon gespottet.„Alle haben das, Mama,ohne die WhatsApp-Gruppen bekommt man ja gar nichts mit.“ Endlich kann er auch dabei sein, wenn sie sich die Kinder in seiner Klasse über WhatsApp schreiben.Natürlich wussten Lukas Eltern, dass ihm mit einem Smartphone auch die gesamte Welt des Internet offenstand,wirklich alles, Tag und Nacht.Aber schließlich sollte er doch auch dabei sein können in der Klassengemeinschaft und wenn alle das hatten...
Lukas hat sich also auf die Suche nach dem Chef der WhatsApp-Gruppe gemacht. „Administrator“ heißt der und er kann bestimmen, wer zu einer Gruppe gehört und wer nicht.Er hat Tim seine Nummer gegeben und der hat ihn zur WhatsApp-Gruppe hinzugefügt. Jetzt war er glücklich angekommen auch im schulischen Cyberpace.
Letzten Montag dann ging’s Lukas schlecht.Seine Mutter konnte ihn nicht zum Aufstehen bewegen: Kopfschmerzen, Bauchweh, unmöglich in die Schule zu gehen. Die Mutter hatte die Englischarbeit im Verdacht, aber dann begann Lukas bitterlich zu weinen und erzählte ihr, dass Tim ihn aus der WhattsApp-Gruppe ausgeschlossen hatte. Ausgeschlossen? Die Mutter ließ sich Lukas Smartphone zeigen und bekam etwas von dem zu sehen, was da vorher geschehen war: „Lukas Mutter geht doch auf den Strich“, stand da und daneben ein Bild vom halbnackten Lukas mit dazu gemaltem BH. „Warte nur, wir kriegen dich schon, hatte jemand gedroht!“ Daneben die Uhrzeit: 23:13 Uhr. Der Mutter wurde heiß und kalt. Sie dachte, dass Elfjährige da schlafen.
Ihr Kind beschützen, das war ihr erster Impuls. Tims Eltern anrufen, sich den Administrator Tim selbst mal vorknöpfen,was denkt der sich eigentlich? Anzeige erstatten wegen Drohung, Nötigung, Verleumdung?
Ich bin froh, dass es an der Schule, an der ich arbeite, für solche Fälle Beratung und Hilfe gibt. Dabei gelten zwei Grundsätze: „Es soll sich niemand dauerhaft unwohl fühlen“. Und bei unserer Mobbingintervention verzichten wir auf Schuldzuweisungen. Wir schreiten entschlossen ein, unterscheiden aber zwischen Person und Tat, so dass niemand nur zum Täter oder Opfer gestempelt wird. Wir schauen vor allem in die Zukunft. Schon oft haben wir so gute Lösungen gefunden.
Es war nicht ganz leicht, Lukas Mutter von diesem Weg zu überzeugen. Jetzt hat Lukas aber den ersten Schritt getan. Er hat aufgehört, stumm zu leiden und den Mut gefunden, sich Hilfe zu holen.