hr1 ZUSPRUCH
hr1

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Selbstverständlichkeiten

Selbstverständlichkeiten

Es gibt Dinge – ganz alltägliche Dinge – die mir einfach gut tun. Das beginnt für mich schon früh am Morgen, wenn ich höre, wie die Glocken einen neuen Tag ankündigen. Im Badezimmer stimmt mich Musik aus dem Radio auf den Tag ein. Ich brauche nur einen Hebel zu bewegen, um mich mit dem Wasser in gewünschter Temperatur duschen zu können. Dann der erste Schluck Kaffee. Wie gut tut das. Ich gebe zu: mir ist nicht immer bewusst, wie gut mir solche alltäglichen Dinge tun. Vieles ist einfach schon selbstverständlich geworden, und ich nehme es meist erst dann wahr, wenn es fehlt.

Vermeintliche Selbstverständlichkeiten sind aber gefährlich. Sie verleiten zur Gleichgültigkeit. Auch die Dankbarkeit geht verloren, wo etwas als selbstverständlich betrachtet wird. Sicher ist das auch mit ein Grund, weshalb das Tischgebet immer seltener gepflegt wird. Es scheint selbst in Familien, die sich dem Glauben verbunden fühlen, mehr und mehr abhanden zu kommen. Einfach so - und manchmal ohne genau zu wissen, warum. Dass immer mehr Kinder und Jugendliche kein Tischgebet mehr kennen, erschreckt mich. Der gedeckte Tisch ist vielen zu einer Selbstverständlichkeit geworden – und vieles andere auch. Selbstverständlichkeiten verdrängen die Dankbarkeit und lassen gleichzeitig die Gedankenlosigkeit wachsen.

Gedankenlosigkeit im Umgang mit Lebensmitteln, mit Rohstoffen, mit Energie. Aber auch Gedankenlosigkeit gegenüber Menschen, die sich täglich mühen oder Not leiden. Nicht zuletzt können Selbstverständlichkeiten auch zu einem gedankenlosen Umgang mit mir selbst führen – mit meinem Leben und meiner Gesundheit.

Ich glaube, es würde gut tun, nicht immer alles als selbstverständlich zu betrachten und der Dankbarkeit wieder mehr Raum zu geben. Denn Dankbarkeit ist Lebensqualität. Sie lässt mich die Freude spüren über die schönen Alltäglichkeiten und so vieles in meinem Leben erfahre ich dann als Geschenk. Das tut gut.