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Wildfang, Christoph

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Honeckers im Pfarrhaus

Honeckers im Pfarrhaus

An einem 13. März kurz nach der Wende floh Erich Honecker nach Moskau. Er wollte nicht in ein deutsches Gefängnis, das er drohend vor sich wähnte. In diesen turbulenten Tagen der Wende ging es mit Honeckers her und hin. Letztendlich wollte sie keiner wirklich bei sich haben, Russland nicht, Chile auch nicht. Einen gab´s, der ist eingesprungen. Ein Brandenburger Pfarrer. Als Honecker gestürzt war, mit seiner Frau schnell aus seinem Bonzenviertel Wandlitz weg musste und sollte, war die Frage, wohin? Schließlich meldete sich der Pfarrer Uwe Holmer, der Erich Honecker und seine Frau zehn Wochen in seinem Pfarrhaus in Lobetal aufnahm. Leicht war´s für beide Seiten sicher nicht. Der ehemalige Staatsratsvorsitzende, verbohrt, noch immer total unverständig und uneinsichtig, was grad im Land los war - der Gastgeber überrascht und nicht ohne unangenehme Gefühle: keines der zehn Kinder dieses Pfarrers hatte trotz bester Noten Abitur machen dürfen. Selbst in Kirchenkreisen gab es aufbrausende Gefühle gegen ein Kirchenasyl für die Honeckers. Doch Holmer sagte: „Wir können doch nicht das Vaterunser beten oder das Abendmahl feiern und dann sagen, wir vergeben allen, bloß dem Honecker nicht“. Vor dem Pfarrhaus, als klar war, dass die Honeckers da sind, gab es wütende Proteste. Sprechchöre waren noch das mindeste. Geändert hat das Kirchenasyl den ehemaligen ersten Mann der DDR nicht. Ich finde das Kirchenasyl der Pfarrfamilie Holmer mutig. Viele wollten Honecker und seiner Frau ans Leder – oder sie mindestens einfach weg haben. Weil Honecker schon schwer krank war, war ein Gefängnisaufenthalt keine gangbare Lösung. Aber einfach so, frei, wollte man ihn auch nicht lassen, aus Angst, dass Menschen ihre Rachegefühle an ihm und seiner Frau auslassen würden. Das Beispiel von den Holmers: Wie viel Mut braucht man, um gegen den Strom zu schwimmen? Wenn alle „ja“ schreien, dann doch mutig „nein“ zu sagen. Wenn alle jemanden verurteilen, doch für den angeklagten Menschen da zu sein, auch wenn man seine Ansichten nicht teilt und seine Handlungen verurteilt. Aber die Liebe Gottes hakt keinen ab. Was ein Mensch auch getan hat. Gibt immer wieder eine neue Chance und die Möglichkeit zu einem neuen Anfang. Das zu bezeugen, braucht Mut. Eben den Mut, auch mal aktiv für einen bedrohten Menschen einzuschreiten. Gottes bedingungslose Liebe kann nicht ohne Folgen bleiben.