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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Erzähl mir was

Erzähl mir was

„Ach, erzähl mir nichts“, manche sagen das, wenn sie das Gefühl haben, belogen zu werden. Ich finde es schade, dass das Erzählen dabei so schlecht wegkommt. Erzählen ist nämlich unentbehrlich.

"Erzählst du mir eine Geschichte?", das haben mich viele Jahre lang meine Töchter gefragt. Dann sind sie immer Sonntagmorgens mit unter die Bettdecke geschlüpft. Da haben sie die Nähe und die Wärme genossen, auch die Wärme einer Stimme und die Nähe eines vertrauten Gesichts.

Und ich hab erzählt. Vom kleinen Pedro in Spanien und seinem Onkel Pepe, der weißen Stute Blanca und dem Esel Orecha.

Dem kleinen Pedro ist gelungen, was meinen Töchtern noch nicht gelang, oder misslungen, was auch bei ihnen schiefgegangen ist. In den Geschichten hat er seine Angst überwunden oder seine Einsamkeit. Pedro hat neuen Mut gefunden, wenn meine Kinder neuen Mut brauchten.

Beim Zuhören können Kinder in einer Geschichte zu Gast sein mit all dem, was ihr Leben ausmacht. Sie fühlen und denken sich hinein und bereichern so ihr Leben.

Erzählen ist wunderbar und notwendig. Erzählen, das ist auch der Weg, auf dem Religion zur Sprache gebracht werden kann. Gott verlangt erzählt zu werden, sagt der Theologe Eberhard Jüngel.

Wer Gott dagegen verstehen will oder definieren, kommt immer wieder beim Erzählen an. Gott verlangt, erzählt zu werden, nicht durchschaut, berechnet oder definiert.

Wer Christ sein will, tut deshalb gut daran, immer mal wieder in den Geschichten seiner religiösen Tradition zu Gast zu sein. Sich in die Geschichten hineinbegeben, sich vom Erzählten bewegen lassen, vielleicht auch Neues entdecken in dem, was andere vom Glauben erzählen. Wo das passiert, kann man auch teilhaben an der Hoffnung, die in den Geschichten zur Sprache kommt.

Ich denke, ein lebendiger Erzähler auf Augenhöhe kann die Geschichten am besten zur Geltung bringen. Eine CD oder das Fernsehen sind da eher die zweite Wahl. Da fehlt einfach die persönliche Nähe und Wärme. In Zeiten von iPod, DVD und YouTube ist ein vertrautes Gesicht, das mit einer vertrauten Stimme von Leben erzählt etwas Besonderes.

Wer im Erzählen noch ungeübt ist, kann sich vielleicht zuerst die Worte eines anderen leihen, aus einem Buch zum Beispiel und damit einen Anfang machen, an einem kühlen Wintertag unter einer warmen Decke vielleicht.

Erzähl mir was, wer darum gebeten wird, sollte, wenn’s irgendwie geht, nicht nein sagen.