hr1 ZUSPRUCH
hr1
Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Selbst König David hat den Blues gesungen Zum 100. Geburtstag von Mahalia Jackson

Selbst König David hat den Blues gesungen Zum 100. Geburtstag von Mahalia Jackson

Heute wäre die "Königin des Gospel" 100 Jahre alt geworden, Mahalia Jackson. Kaum jemand, der sich ihrer gewaltigen, dunklen Stimme entziehen kann. Eindringlich singt sie, beinahe ekstatisch. Ihr Gospelgesang bringt Menschen in Bewegung.

Wie damals beim berühmten Marsch auf Washington mit Martin Luther King. Da hat sie gesungen und Schwarze und Weiße haben begeistert mit geklatscht. Ein Großer wie Duke Ellington wollte ihr eine Jazzkarriere ebnen, sie ermutigen, den Blues zu singen. Aber sie wollte nicht. Sie sagt: „Blues sind die Lieder der Verzweiflung, das Evangelium sind die Lieder der Hoffnung“.

Sie wollte keinen reinen Blues singen; sie wollte mit ihren Liedern die Botschaft Jesu in die Welt hinaustragen. Ihre tiefe religiöse Demut und ihr naiver Glaube haben sie dahin geführt. Kein Blues, dem Grundsatz ist sie ein Leben lang treu geblieben.

Sie war dem Leben zugewandt, sie war eine gute Köchin und zweimal verheiratet. Auf einer Aufnahme kann man sie deftig fluchen hören, aber den Blues hat sie anderen überlassen.

"I've got the blues", das heißt wörtlich: "Ich bin niedergeschlagen", Blues galt als Sklavenmusik. Mahalia Jacksons Großmutter war noch selbst eine Sklavin. Vielleicht wollte sie damit nichts mehr zu tun haben. Finger weg vom Blues, ich finde das schade, weil ich glaube, dass das Evangelium zwei Seiten hat, die zusammengehören: es ist Fenster zum Himmel und Tür zur Welt. Wenn wir vom Evangelium nur das Fenster zum Himmel sehen, dann kann das zu einer Vertröstung auf ein Jenseits verkommen.

Andererseits: Wer nur die Tür zur Welt kennt, der kriegt leicht den Blues und vermisst, wovon Mahalia Jackson ihr Leben lang gesungen hat, das Vertrauen auf Gottes Gnade.

Viele Lieder der Bibel, Psalmen genannt, haben beides in sich – Verzweiflung und Hoffnung. Besonders die, die König David zugeschrieben werden. Er hatte öfters wirklich den Blues und fasste ihn in so in Worte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?Warum hilfst du nicht, wenn ich schreie,warum bist du so fern? Und dann konnte er im selben Lied wieder Mut fassen und sagen: „Als ich zu Gott schrie, da hörte er’s.“2

Den Blues zu haben und davon zu singen, das finde ich in Ordnung, das ist die Tür zur Welt. Doch wer gerade drinsteckt und selbst den Blues hat, sollte sich eher eine Aufnahme von Mahalia Jackson anhören, denn die singt vom Fenster zum Himmel.