„Ich bin der Albino der Familie.“
„Ist hier London?“ fragt der afrikanische Junge. Der ist der Ausländerpolizei bei der Razzia gegen illegale Einwanderer im Hafen von Le Havre entwischt. Und nun steht er tief im Wasser und spricht den Schuhputzer an, der da gerade seine Mittagspause macht.
So beginnt ein Film, der heißt wie die große Hafenstadt im Norden von Frankreich – Le Havre.
Umstands los und wie selbstverständlich zeigt der Schuhputzer weit hinten am Horizont die Richtung an, in der London liegt. Aber dann tut dieser Schuhputzer das Naheliegende und selbstverständlich hilft er dem afrikanischen Flüchtlingsjungen, aus dem Wasser zu kommen. Er gibt ihm zu essen. Er nimmt ihn ohne viele Worte mit in seine kleine Wohnung am Rande des Hafens.
Es ist dieses Selbstverständliche, die selbstverständliche Tat, die selbstverständliche Hilfe, die sich durch den ganzen Film zieht. Und genau das macht den Film „Le Havre“ zu einem wunderbaren Dokument der selbstverständlichen Nächstenliebe. Da hilft einer einem anderen tatsächlich heraus aus seiner Not.
Der Regisseur Aki Kaurismäki hat diesen Film gemacht. Er nennt sich selbst einen Pessimisten. Aber er sagt auch: „Ich dachte, man könnte zumindest einen optimistischen Film drehen.“
Wer den Film Le Havre sieht, der weiß: Die Wirklichkeit, von der er erzählt, ist gar nicht optimistisch für die, die unter großen Strapazen aus Afrika nach Europa kommen, um hier ein neues, ein besseres Leben haben zu können. Ihre Hoffnungen erfüllen sich in Wahrheit nie.
Aber der Film erzählt unbeirrt davon, wie einem, der unterzugehen drohte, selbstverständlich geholfen wurde.
Einmal wird der Schuhputzer gefragt: „Was haben sie denn überhaupt mit dem zu tun?“ Da sagt er: „Ich gehöre zur Familie.“ – „Wie bitte, Sie als Weißer?“ – „Ja“, antwortet der sonst so wortkarge Mann: „ich bin der Albino der Familie“.
Der Film Le Havre läuft seit einigen Wochen in den Kinos. Man sollte ihn gesehen haben. Denn der Film zeigt, wie in einer streng abgeschotteten Welt Menschen trotzdem als Geschwister zusammengehören. Und: dass einer dem anderen zur Seite stehen kann, einfach weil der jemanden braucht, um aus seiner Notlage herauszukommen.