Gott hinter der Leinwand The King’s Speech
Was kann man einem Menschen, der mit schlimmem Stottern kämpft, Erniedrigenderes antun, als ihn zu einer öffentlichen Rede zu verpflichten? So etwas passiert nicht? So was passiert. Im Film „The King’s Speech“ zwingt 1925 König Georg V von England seinen stotternden zweiten Sohn und späteren König Georg VI, eine Rede in einem randvollen Stadion zu halten. Und dieser Auftritt wird zum Desaster, wie man es sich schlimmer nicht vorstellen kann.
Dieser Film ist keine glitzernde Hommage an einen König. Er rückt einen Menschen in den Mittelpunkt, der sich trotz dieses Handicaps dem öffentlichen Leben stellen muss. Ihm fällt die Aufgabe zu, König zu sein. Bis dahin hatte er alle möglichen und unmöglichen Therapeuten aufgesucht, deren Behandlungen aber ohne jeden Erfolg bleiben. Dann stößt seine Frau auf den australischen Sprachtherapeuten Lionell, der sehr ungewöhnliche Methoden anwendet. Zunächst schreckt das königliche Paar zurück und bricht die Behandlung ab. Doch die Thronantrittsrede im Palast geht wieder total daneben. Und wenn die Not existentiell genug ist, sind ja fast alle Menschen zu fast allem bereit. Auch ein König. Also beugt sich der König dem Therapeuten. „Meine Therapie funktioniert nur mit Vertrauen und absoluter Gleichheit“, sagt Lionell. Und meint das auch so: Behandlung nur in dessen heruntergekommener Praxis. Keine Anrede mit königlichen Titeln, sondern mit dem Spitznamen Bertie. Und auch keine Therapie ohne Fragen zum Privatleben.
Und es funktioniert wirklich. Nicht wie im Märchen. Sondern durch die Freundschaft, die zwischen den zwei ungleichen Gleichen entsteht. Lionell lässt Bertie unterm Kopfhörer bei Musik lesen. Bertie stottert nicht. Er lässt ihn singen. Bertie stottert nicht. Er bringt ihn zum Explodieren und Fluchen. Bertie stottert nicht. Aber sobald der König sich vor vielen Leuten auf das Reden konzentrieren muss, geht es nur mühselig oder schief.
Doch Lionell kommt dem Menschen Bertie auf die Spur. Denn er weiß, dass Stottern manchmal auch auf schlimme seelische Erlebnisse zurückgehen kann. Er bemerkt, dass der König eigentlich Linkshänder ist und fragt nach. Und plötzlich erzählt Bertie, alias König Georg VI, wie von selbst. Ja, er musste sich unter schweren Zwangsmaßnahmen zum Rechtshänder umdressieren lassen. Und einmal wurde ihm über drei Jahre hinweg immer wieder das Essen entzogen. Lionell sagt ihm: „Ich habe im Krieg gelernt, Menschen zu helfen, die vor Angst nicht mehr reden konnten. Und auch Sie müssen keine Angst mehr vor den Dingen haben, die ihnen im Alter von fünf Jahren passiert sind.“
Als es dann zum Krieg mit Deutschland kommt, muss Bertie, Entschuldigung, muss Georg VI die entscheidende Rede an sein Volk halten. Lionell steht ihm gegenüber vor dem Mikrofon. „Vergessen Sie alles andere und sprechen Sie nur zu mir. Wie zu einem Freund.“ Der König schafft es. Immer fließender. Am Ende applaudiert eine ganze Nation. Und der König lobt seinen Sprachtherapeuten: „Gut gemacht, mein Freund“, sagt er zu Lionell und nennt ihn das erste Mal so. „Danke, euer Majestät“, erwidert Lionell schmunzelnd und nennt ihn das erste Mal so.
Bei Gott gibt es kein Ansehen der Person. Und wir helfen einander am meisten, wenn wir den anderen als Mensch wahrnehmen. Und auch als Mensch behandeln.