hr1 ZUSPRUCH
hr1
Grützner, Kurt

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel

Dem Gewissen folgen (Jan Hus)

Dem Gewissen folgen (Jan Hus)

Eigentlich hat die Reformation schon 100 Jahre vor Luther begonnen. Und zwar mit Jan Hus. Heute vor knapp 600 Jahren wurde er dafür öffentlich als Ketzer verbrannt. Was war so ketzerisch an ihm? Eine neue Kirche wollte er ebenso wenig gründen wie Martin Luther. Er war seiner katholischen Kirche gegenüber ausgesprochen loyal. Aber reformieren wollte er sie schon. Das ausschweifende Leben der Kirchenmänner ekelte ihn an. Der immense Reichtum der Kirche im Angesicht der bitteren Armut der Menschen damals ließ ihn nicht ruhen. Und das Streben der Kirche nach weltlicher Macht konnte und wollte er nicht hinnehmen. Den Kern der Kirche aber traf er damit, dass er die Bibel als letzte Autorität in Glaubensfragen erklärte - und nicht den Papst. Dass ein Mensch unfehlbar sein sollte, konnte er nicht akzeptieren. Eine solche Haltung aber konnte die Kirche nicht akzeptieren.

So kam es, wie es kommen musste. Jan Hus wurde der Prozess gemacht. Wie Luther damals in Worms sollte Hus auf dem Konzil in Konstanz seine Lehre widerrufen. Auch wenn Hus nicht die berühmten Worte sprach: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen“ In der Sache verhielt er sich genauso. Er widerrief nicht. Er folgte seinem Gewissen. Und das brachte ihm den Tod. Am Vormittag des 6. Juli 1415 wurde er vor dem Konstanzer Münster öffentlich verbrannt. Das sollte andere mögliche Reformatoren abschrecken. Tat es nicht. Hundert Jahre danach nagelte Martin Luther seine 95 Thesen an die Wittenberger Kirchentür. Jan Hus hätte wahrscheinlich alle unterschreiben können.

Die Kirche spalten wollte beide nicht. Passiert ist es aber doch. Immer mehr Menschen bedauern das heute und wollen mehr Gemeinsamkeit der Konfessionen. Vielleicht wäre es ein Schritt, wenn die Katholische Kirche Jan Hus rehabilitieren würde.

Soweit ich weiß, ist das bis heute nicht geschehen. Er gilt weiterhin als Ketzer.