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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Dass der Islam zu Deutschland gehört,  kann zum Glück auch der Minister nicht ändern

Dass der Islam zu Deutschland gehört, kann zum Glück auch der Minister nicht ändern

Die zwölf Jugendlichen waren mit meinem Friseur verabredet. Nicht zum Haare Schneiden, sondern zur Konfirmandenstunde. Der Mann kommt aus Marokko, lebt seit 34 Jahren in Frankfurt und seine Religion ist der Islam. Als alle im Laden sind, schließt er die Tür, um nicht von späten Kunden gestört zu werden. Dann erklärt er den christlichen Jugendlichen, was es heißt, Muslim zu sein und mit dieser Religion in Deutschland zu leben.

Er sagt den Konfirmanden, sie sollten ihre Religion ernster nehmen. Sie sollten ihre christliche, ihre evangelische Tradition pflegen und leben – eben so, wie er seine muslimische Tradition lebt und pflegt. „Ohne Religion“, sagt er, „ohne Religion geht eine Gesellschaft kaputt.“ Die Jugendlichen fragen nach, diskutieren mit dem Friseur den Sinn und die Notwendigkeit von Religion.

Ich frage ihn, was er von dem Satz des deutschen Innenministers hält, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Er schüttelt den Kopf. „Das ist völliger Unsinn! Natürlich hat der Islam hier längst seinen Platz, es ist doch ganz alltäglich.“ Und dann erzählt er: „Wenn wir zum Beispiel im Sommer zum Grillen eingeladen sind, dann ist das so, dass meine christlichen Freunde für mich und meine Familie sogar eine extra Grillzange da haben, weil sie wissen, dass wir kein Schweinefleisch essen. Der Islam ist Alltag, ist Normalität hier, auch für die, die keine Muslime sind.“

Die letzten beiden Innenminister, Schäuble und de Maizière, haben gewusst, dass der Islam genau deswegen ein Teil Deutschlands geworden ist, weil Muslime hier leben. Dass Hans-Peter Friedrich, der jetzige Bundesinnenminister aus Bayern, das Gegenteil behauptet, ist merkwürdig, vielleicht auch ärgerlich, aber nicht wirklich schlimm. Denn er hat das zum Glück nicht zu bestimmen. Im Grundgesetz ist die Religionsfreiheit als Grundrecht garantiert. Darum entscheidet in Deutschland nicht die Regierung darüber, welche Religionen hierher gehören.

Das Miteinander von Christen und Muslimen und auch Juden in Deutschland kann für uns sogar zum Anlass werden, über unsere eigenen religiösen Traditionen und Überzeugungen neu nachzudenken, damit Jugendlichen, wenn sie nach Ostern gefragt werden, nicht nur der Osterhase einfällt.

Mein Friseur glaubt übrigens, dass Christentum und Islam sehr viel mehr verbindet und gemeinsam ist, als sie trennt. Und er hofft einfach auf die nächste Generation: „Manche Vorbehalte“, sagt er, „gibt’s für meine Kinder und ihre Freunde schon längst nicht mehr.“