hr1 ZUSPRUCH
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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Angst wird kleiner durch Vertrauen

Angst wird kleiner durch Vertrauen

Ich habe auch Angst vor der Alzheimer-Krankheit, das gebe ich zu. Ich bin über sechzig Jahre alt und ahne, was auf mich zukommen kann. Ich habe Menschen gesehen, die sich nicht mehr zurechtfinden in ihrem Leben, in ihrer Umgebung, mit ihren Liebsten. Manchmal erkennen sie Ehepartner und Kinder nicht mehr. Oft ist eine Betreuung zuhause nicht möglich, weil die Kräfte der Angehörigen nicht reichen. Längst nicht alle, die demenzkrank sind, sind ja friedlich. Was soll ich also tun mit meiner Angst?

Ich weiß, was kommen kann, aber ich schiebe die Gedanken dann auch wieder weg. Ich kann mir heute nicht vorstellen, dass ich mir das Leben nehme wie Gunther Sachs. Aber ich weiß nicht, wie ich in zehn Jahren denke. Manchmal erzählen mir Zeitung oder Fernsehen die Geschichte eines Menschen, der sein „Schicksal bewältigt“ hat, wie es heißt. Ich zweifle immer ein wenig an solchen Geschichten. Menschen können kräftig sein, das stimmt. Aber ohne Angehörige bewältigt man gar nichts. Vor allem die Liebsten in der Nähe sind diejenigen, die das „Schicksal bewältigen“. Angehörige haben den krummen Rücken und tragen mehr Lasten als der Kranke. Der kann sich nur anvertrauen. Angst wird etwas kleiner durch Vertrauen.

Es gibt kein ‚nur‘ richtig oder ‚nur‘ falsch, wenn es um Lebensangst geht. Es gibt auch keinen schnurgeraden Weg. Manche Angst muss ich tragen und darauf vertrauen, dass andere Menschen und Gott sich meiner annehmen. Reden kann ich aber heute schon. Mit Menschen in meiner Nähe, mit Gott reden. Das hilft etwas. Ich muss damit rechnen, dass Demenz mich trifft. Darum will ich klare Verabredungen treffen, mündlich oder schriftlich. Meine Angehörigen sollen wissen, was ich als Kranker will und was nicht. Ich hoffe natürlich, dass ich keine Last werde. Lieber ein Heim als erschöpfte Angehörige. Aber auch das habe ich nicht in der Hand, leider. Ich kann Gott nur immer wieder bitten, dass er die Lasten für alle erträglich macht.