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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer im Ruhestand, Biebertal

Abschalten

Abschalten

„Ich kann so schlecht abschalten.“ Eine uralte Redensart. Schon meine Oma konnte sie gut gebrauchen, wenn sie erklären wollte, warum sie wieder einmal schlecht geschlafen hatte. Ich kann so schlecht abschalten. Im Zeitalter von Handy und iPhone bekommt dieser Satz allerdings eine neue Aktualität. Es ist zumindest peinlich, wenn diese kleinen Biester ihre vom Eigentümer selbst gewählten Piep-, Orgel- oder Nonsens-Geräusche ausgerechnet im Theater, in der Kirche oder in einer Krisensitzung von sich geben. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Das Problem liegt tiefer, wie Götz Mundle, Geschäftführer einer Klinik für psychosomatische Krankheiten, berichtet. Er hat mit Leuten zu tun, die unter Burnout und unter Depressionen leiden. Und die ernsten Krankheiten seiner Patienten haben damit zu tun, dass sie nicht abschalten können. Herr Mundle sagt: „Wir beobachten, dass im Online-Zeitalter viele Menschen die Fähigkeit verlernt haben, geistig und seelisch offline zu gehen.“

Auf die Bedürfnisse des Körpers sind wir mittlerweile aufmerksam geworden. Wer einen Bürojob hat, wer den ganzen Tag am Bildschirm oder hinter dem Lenkrad sitzt, der weiß, dass sein Körper Ausgleich braucht: im Fitness-Studio, im Schwimmbad oder beim Joggen. Aber kaum jemandem ist bewusst, dass auch die Flut von Informationen, alles, was tagaus tagein über uns hereinbricht an Tönen, Klängen, Worten, Zahlen, eine Zeit der Verarbeitung, eine Zeit der Ruhe braucht.

Es ist schon erstaunlich: Mit unserem Körper gehen wir längst pfleglicher und klüger um als mit unserem Geist. Wir lernen, auch durch Anleitung unzähliger Ratgeber, darauf zu achten, was und wie viel wir essen, wir machen Fastenkuren und berechnen unseren body-mass-Index. Wenn es jedoch um Informationen geht, meistens elektronisch vermittelt, frönen wir einer ungezügelten Völlerei, überreizen unser Hirn mit viel zu vielen, häufig falschen oder unwichtigen Informationen – und kommen zu selten auf den Gedanken, dass unser Denkorgan dies alles ja verdauen muss und dass es – wie jedes andere Organ auch – Zeit braucht, sich zu erholen.

Wenn es jetzt bald um die Planung des Wochenendes geht: Nicht vergessen! Am siebten Tag sollst du ruhen! Was Gott schon in den 10 Geboten den Menschen nahe legt, ist so aktuell wie nie zuvor: Abschalten ist angesagt.