hr4 ÜBRIGENS
hr4
von Dörnberg, Burkhard

Ein Sendung von

Dekan, Evangelischer Kirchenkreis Marburg

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Die Macht von „noch“

In einer Grundschule hängt für alle sichtbar ein Merkspruch: Denkt an die Macht von „noch“. Ich stutze. Wie jetzt „noch?“ Was ist „noch“? Ein fernes Land oder eine neue Fantasyreihe? Und um was für eine Macht geht es bei diesem „noch“?

Eine der Lehrerinnen klart mich auf. Sie erzählt, wie die Grundschulkinder oft Zuspruch brauchen. Gerade dann, wenn sich einer mal wieder mutlos fühlt.  „Ich bin zu klein“ heißt es dann schnell.

Das Wörtchen "noch" kann Hoffnung geben

Dann, so die Lehrerin, dann erinnern wir die Kinder an die Macht von „noch.“ Und die Kinder sagen den gleichen Satz erneut, aber jetzt mit „noch“, Und dann klingt das so: „Ich bin noch zu klein.“  Und schon schwingt Hoffnung und Ausblick mit: bald bist du nicht mehr zu klein!

Das geht mit ganz vielen Sätzen so. „Ich kann nicht schreiben“ wird zu „Ich kann noch nicht schreiben.“ „Ich kann den Ball nicht fangen.“ zu „Ich kann den Ball noch nicht fangen“. Fast kann man schon sehen, wie das Kind dann bald schreiben und Ballspielen kann. Das Kind jedenfalls übt mit neuer Motivation und ahnt in den ersten Erfolgen schon, wie gut es noch werden wird.

„Noch" ist eine Macht gegen die Resignation

Wer die Macht des Wortes „noch“ richtig einsetzt, der gewinnt eine ganz neue Perspektive. Nicht nur als Kind. Auch als Erwachsener höre ich oft: Das geht nicht. Es gibt keine Lösung. Wer in diese deprimierenden Sätze ein geschicktes „noch“ einfügt, der spürt die Macht der Hoffnung: Das geht noch nicht. Es gibt noch keine Lösung. Und schon schwingt mit: Es wird gehen, es wird sich finden! Die Macht von „noch" ist eine Macht gegen die Resignation, gegen die Enttäuschung, gegen das Aufgeben.

Die Macht von „noch“ ist für mich genau die Macht, von der Jesus immer wieder erzählt. Das Reich Gottes ist wie ein Senfkorn, sagt er zum Beispiel. Es fängt klein an. Noch ist es klein. Aber es wächst gewaltig und gibt Lebensraum, tröstenden Schatten und Zukunft.