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Auch mein Großvater - Gedenken an die Opfer der NS-Herrschaft
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Auch mein Großvater - Gedenken an die Opfer der NS-Herrschaft

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Zum Foto: Es zeigt politische Häftlinge im KZ Oranienburg August 1933, darunter Angehörige des Reichsbanners, Verteidiger der Demokratie in der Weimarer Republik. ​​​​Von links Ernst Heilmann (Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion), Friedrich Ebert jun., ein Reichsbannerführer, Rundfunkreporter Alfred Braun, Ministerialrat Giesecke, Rechtsanwalt Magnus und der Intendant der Rundfunkstunde, Dr. Flesch. Das Foto können wir Ihnen aus Rechtegründen sechs Wochen nach Veröffentlichung zeigen. 

 

Mein Großvater war ein einfacher Mann. Für Schulbildung hatte man damals nicht genug Geld, deshalb wurden die Jungs schon früh zur Arbeit geschickt, um Geld nachhause zu bringen. Mein Großvater, er hieß Hans, arbeitete in einer Bürstenfabrik. Dort traf er auf andere Männer, die sich für die Rechte der Arbeiter einsetzten.

Reichsbanner - Hüter der Demokratie

Und weil er ein starkes Empfinden für Gerechtigkeit hatte, machte er da mit, er wurde Mitglied im Reichsbanner. Das war ein Verband in der Weimarer Republik, in dem sich Menschen zusammengeschlossen hatten, um die Republik zu verteidigen. Sie verstanden sich als Hüter der Demokratie und wollten dem Terror der Nationalsozialisten nicht tatenlos zuschauen.

Die Nationalsozialisten gingen brutal gegen alle Kritiker vor

Das blieb nicht ohne Konsequenzen. Die Nationalsozialisten gingen brutal gegen alle Kritiker vor, auch gegen die vom Reichsbanner. Mein Großvater kam in ein Konzentrationslager.

Warum erzähle ich von meinem Großvater Hans? Warum ist das von Bedeutung – heute noch?

Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Heute vor 80 Jahren wurde das Konzentrationslager in Ausschwitz von den Alliierten befreit. Der 27. Januar gilt deshalb als offizieller deutscher Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Menschen, die damals in Lager eingepfercht und grausam ermordet wurden, waren überwiegend Juden. Auch Sinti, Roma und politisch Oppositionelle verschwanden plötzlich. Sie wurden in Haft genommen und tauchten nicht mehr auf.

Es gab auch kleinere Konzentrationslager in der Nachbarschaft

Das Lager, in das mein Großvater gebracht wurde, gehörte nicht zu den großen berüchtigten KZs wie Ausschwitz oder Dachau. Neben diesen Hauptlagern gab es in Deutschland mehr als tausend Außenlager. Das ist weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl die Baracken meistens gleich in der Nachbarschaft standen. Und die Nachbarn wussten sehr gut, was dort geschah. Man sprach darüber, und man sah die Menschen, wie sie durch die Straßen zum Arbeitsdienst getrieben wurden.

Die Gefahr für die Demokratie bildet sich im Kleinen heraus

Für mich haben diese kleine Außenlager in vielen Kleinstädten oder neben ihnen eine besondere Bedeutung. Nicht nur wegen meines Großvaters. Sie halten mir vor Augen: Die Gefahr für die Demokratie bildet sich im Kleinen heraus, in der Nachbarschaft. Es ist nicht nur eine Angelegenheit der großen Politik, mit der sich die Parlamente befassen müssen.

Ein wichtiger Tag als Erinnerung

Fremdenfeindlichkeit äußert sich im Lebensalltag als knappe Bemerkung, als kleine Geste. Der Hass auf Menschen, die anders sind, die anders denken, einen anderen Glauben haben, darf sich nicht wieder in der Nachbarschaft etablieren.

Deshalb ist mir dieser Tag so wichtig: Als Erinnerung an die Menschenverachtende Ideologie der Vergangenheit, die keine Zukunft haben darf.

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