
Was soll das bedeuten – Pfingsten?
‚Pfingsten – hat da nicht Jesus geheiratet?‘ oder: ‚Pfingsten, das ist doch irgendwas mit Palmzweigen‘. Zwei Antworten auf die Frage nach der Bedeutung des Pfingstfestes, die gern auch mal im Radio gestellt wird. Stimmt, nur noch 11 Prozent hierzulande wissen heutzutage wirklich Bescheid, was Pfingsten bedeutet. Darunter sind die meisten über Fünfzig.
Pfingsten fehlt die passende Schokoladenfigur
Warum ist die Bedeutung von Pfingsten so wenig bekannt? Ich persönlich habe da ja eine ganz eigene Theorie: Pfingsten fehlt die passende Schokoladenfigur. An Weihnachten gibt‘s Nikoläuse oder Weihnachtsmänner, manchmal sogar schon Weihnachtsfrauen, zu Ostern Hasen in allen Farben und Geschmacksrichtungen. Wenigstens das bleibt als Verbindung mit den christlichen Festen, auch wenn die Figuren meistens hohl sind.
Welche symbolträchtige Figur würde denn zu Pfingsten passen? Eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes? Aber in der Pfingstgeschichte wird der Heilige Geist als Flammen beschrieben. So ergreift der Heilige Geist die Freundinnen und Freunde Jesu, damit sie erleben: Jesus ist weiter bei ihnen. Dieser Geist befreit sie von ihrer Mutlosigkeit, nachdem Jesus fort war. Aber Flammen kann ich mir kaum, oder höchstens als geschmolzene Schokolade vorstellen.
‚Geschmückt wie ein Pfingstochse‘
Aber mir fällt ein Tier ein. Das kommt in einem Spruch vor, in dem auch Pfingsten vorkommt. Der Spruch heißt: ‚Geschmückt wie ein Pfingstochse‘. So bezeichnet man heute noch manchmal Menschen, die sich gern auffällig kleiden, oder moderner ‚durchgestylt‘ sind, bunte Typen halt. Eigentlich sind die geschmückten Pfingstochsen aber die Rinder, die zum feierlichen Weideauftrieb im Frühjahr geschmückt werden.
Und wenn auch der Ochse mit Pfingsten vielleicht so wenig zu tun hat wie der Hase mit Ostern, finde ich, so eine Figur würde schon was hermachen. Ich sehe sie direkt schon in den Regalen stehen, die Schokopfingstochsen.
Rinder kommen in der Bibel nicht gut weg
Blöd nur, dass die Rindviecher in der Bibel nicht so gut wegkommen. Sie werden eher nicht mit Geist, sondern Ungeist, mit geistlosen, falschen Entscheidungen verbunden.
Was es damit auf sich hat? Davon erzählt eine Geschichte im Alten Testament, die für mich mit Pfingsten in Verbindung steht.
Musik
Mose besteigt einen Berg, um mit Gott zu reden
Es geht um die Mosegeschichte. Mose hat die Israeliten mit Gottes Hilfe aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Jetzt sind sie in der Wüste, nahe einem Berg und wissen nicht so recht, wie es weitergeht. Mose besteigt den Berg, um mit Gott zu reden. Auch, um von ihm zu erfahren, wie die Israeliten mit der gewonnenen Freiheit umgehen sollen. Von Gott soll die Orientierung dazu kommen – die Zehn Gebote.
Inzwischen kriegen’s die Israeliten aber mit der Angst zu tun. Mose bleibt zu lange weg. Ohne Mose fühlen sie sich auch von Gott verlassen. Ob es diesen Gott überhaupt gibt? Den kann man ja sowieso nicht sehen oder anfassen.
Das 'Goldene Kalb'
Da haben’s andere Völker besser: Die haben Götter, mächtig und stark, realistisch dargestellt, oft als Tier. Und da kommt das Rindvieh ins Spiel. Das bekannteste Rindvieh in der Bibel hat aber eher Taschenformat. Für einen ausgewachsenes Exemplar reicht das Material nicht aus. Aaron, der Bruder von Mose, fertigt aus dem wenigen goldenen Ohrringen, die die Frauen dabeihaben, ein kleines Stierbild an – das ‚Goldene Kalb‘.
War es nicht besser, einen Gott zu haben, den man sich selber machen kann? Und so tanzen sie ums Goldene Kalb, feiern den Gott, der so ist, wie sie ihn haben wollen.
Es kam, wie es kommen musste: Mose kehrt zurück, im Gepäck die Gebote, und ist wütend. Wie können die Israeliten nur die Freiheit, in die sie Gott nach der Sklaverei in Ägypten geführt hat, so leicht gegen einen falschen Götzen austauschen?
Mose bringt die 10 Gebote und zerstört das Götzenbild
Mose zerstört das Goldene Kalb, und die Israeliten wenden sich wieder dem Gott zu, zu dessen Freiheit es gehört, dass er nicht zu fassen ist. Aber er gibt den Menschen Orientierung, damit sie frei bleiben. Dazu sind die Gebote da, und so werden sie in Israel noch heute verstanden. Die Gebote eröffnen Freiräume und gestalten Freiheit. Freiheit für mich und andere. Liebe und Achtung soll die Beziehungen bestimmen: Zwischen Gott und den Menschen und zwischen den Menschen untereinander. Gottes Wille ist: Freiheit haben und anderen Freiheit gewähren – und das betrifft Leben, Beziehungen und Besitz. Eben: Ein Leben in Freiheit.
Deshalb steht für mich die Pfingsterzählung im Neuen Testament in Verbindung mit dieser Geschichte. Dort geht es auch um Geist, der befreit.
Nach Ostern sind die Freundinnen und Freunde Jesu mutlos und verängstigt
Verängstigt, mutlos sind die Freundinnen und Freunde Jesu. Sie befürchten, dass Jesus jetzt, nach seiner Himmelfahrt, nicht mehr bei ihnen ist. Sie sehnen sich nach seiner Nähe, nach der Begeisterung für ein Leben mit Gott, die er in ihnen entfacht hat.
Da sind so viele Gefahren und Herausforderungen. Es gibt so viele starke Götter in ihrer Welt, nicht wenige haben die Gestalt von Stieren. Jesus dagegen hatte sie dazu aufgerufen und eingeladen, schon jetzt in Gottes Reich zu leben – aber ihre Welt wird von Machthabern und Mächtigen beherrscht. Da ist der Kaiser, der sich als Gott verehren lässt. Da ist die Macht des Geldes. Die wenigen Reichen haben Macht über die vielen Armen. Geld regiert eben die Welt. Das alles kostet Menschen ihre Freiheit, und so ist es bis heute allzu oft.
Jesus hatte andere Werte vorgelebt: Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Liebe. Vor allem aber verkörperte Jesus die Freiheit, mit Gott zu leben, sich nicht den vermeintlichen Gesetzen der Welt zu unterwerfen. Dafür braucht es den Geist der Freiheit, den Geist Gottes.
Jesus hat seinen Jüngern den Geist der Freiheit versprochen
Den hatte Jesus seinen Freundinnen und Freunden versprochen. Und dann kommt er auf einmal über sie: Der Heilige Geist. Es braust durch das Haus, in dem sie sich ängstlich versteckt hatten. Und es wird ihnen, als würde etwas in ihnen entzündet. Und so ist es auch.
Die Freundinnen und Freunde Jesu sind begeistert
Begeisterung ist ein tolles Gefühl, es befreit, und es steckt an. Die Freundinnen und Freunde Jesu gehen raus und sie fangen an, anderen davon zu erzählen: Dass ihnen Jesus Augen, Ohren und Herzen geöffnet hat, um mehr aus ihrem Leben zu machen. Viel mehr, als es die Welt, die sie erleben, verspricht. Ein Leben in der Freiheit Gottes. Frei sein, Gott, andere und sich selbst zu lieben. Und das in Wort und Tat umzusetzen. Die Welt zu verändern, mit Geist und Begeisterung, Gott hilft dabei.
Musik
Pfingsten ist der Beginn der Kirche
Mit Pfingsten beginnt die Geschichte der Kirche in der Welt. Und auch, wenn es in der Kirchengeschichte viel zu oft den Tanz um’s Goldene Kalb gab, so gibt es doch auch die Spuren des Heiligen Geistes, der Menschen erfasst, und zu leuchtenden Beispielen werden lässt, die andere begeistern.
Begeisterte Menschen, die anderen helfen
In meiner Nachbarschaft wohnt Herr Ton. Er stammt aus Vietnam, hat hier studiert und gearbeitet. Seit vielen Jahren erteilt er im Gemeindehaus ehrenamtlich Nachhilfeunterricht in Mathe und Physik, vor allem für Kinder, die sich das sonst nicht leisten könnten. Ich glaube, ohne ihn hätten viele keinen Schulabschluss.
Meine Schülerin Nadja fragte mich nach Noten von Kirchenliedern. Was sie damit vorhat, wollte ich wissen. Und dann erzählte sie. Sie besucht in ihrer Freizeit eine Senioreneinrichtung und spielt auf ihrer Geige zur Freude der Menschen dort. Ich glaube, da glänzen nicht nur die Augen.
Unsere Schulsprecherin Nouha kennt Rassismus aus eigener Erfahrung. Aber sie hat trotzdem den Mut, sich dagegen zu wehren und öffentlich auf Demonstrationen zu sprechen, auch wenn sie beleidigt wird.
Das sind nur einige von den vielen, die der Geist Gottes bewegte und die andere bewegen, sich vom Heiligen Geist in Bewegung bringen zu lassen: Zu einem anderen Tanz als den um’s Goldene Kalb.
Wenn ich’s mir recht überlege, ist es wohl doch keine so gute Idee mit dem Schoko-Ochsen zu Pfingsten. Lieber anderen davon erzählen, was Pfingsten wirklich bedeutet und selbst im Geist Gottes leben.