Erinnern, Bewahren und das ewige Leben
November ist der Monat der Gedenktage: Allerheiligen, Volkstrauertag und Totensonntag. Das Jahr neigt sich Zusehens dem Ende entgegen. Auch die Natur nimmt daran Anteil. Das Laub verschwindet von den Ästen, Wohnungsfenster leuchten warm. Alles bereitet sich auf den Winter vor. Erinnerungen haben in dieser Zeit Hochkonjunktur. Auf einmal rückt das in den Vordergrund, was vergänglich ist.
Ein Museumsbesuch ist wie ein Ausflug in die Vergangenheit
Für mich ist jetzt die Zeit der Museen, diese beeindruckenden Hallen voller Erinnerungen. Geradezu ehrfürchtig schlendere ich durch die Säle, bestaune alte Bilder, Skulpturen und Relikte aus vergangenen Zeiten. In einer Vitrine bestaune ich drei Tonscherben. Sie faszinieren mich, grob zusammengefügt entsteht in mir das Bild, wie die Welt vor fast zweitausend Jahren aussah. Der Besuch im Museum scheint mir wie ein Ausflug in die Vergangenheit, die hier liebevoll bewahrt wird.
Vergangenes zu bewahren, ist Ausdruck einer speziellen Wertschätzung
Woher kommt dieses Bedürfnis zum Erinnern, dieser Drang, alte Dinge zu bewahren? Es sind nicht nur Dinge aus meinem eigenen Leben, an denen ich sentimental hänge. Auch alte Gebäude schüren in mir das Bedürfnis, sie zu erhalten und zu pflegen. Dieses Bedürfnis, Vergangenes zu bewahren, ist Ausdruck einer speziellen Wertschätzung. Und die hat meines Erachtens etwas mit dem christlichen Glauben zu tun, und zwar mit dem Glauben an das ewige Leben.
Jedes Lebewesen und alle Dinge hinterlassen Spuren
Ich glaube an „die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“ heißt es im Glaubensbekenntnis. Immer wieder gesprochen bleibt diese Aussage trotzdem eine Zumutung. Keine Belege gibt es dafür, keine Erfahrungswerte, es ist ausschließlich eine Glaubenssache. Und doch ist gerade dieser Teil des Credos wichtig, weil er klar macht: Dinge vergehen, aber es geht weiter. Jedes Lebewesen, ja alle Dinge hinterlassen Spuren, nichts und niemand wird vergessen.
Das kollektiven Gedächtnis
Nicht immer sind diese hinterlassenen Spuren so greifbar wie in einem Museum. Häufig sind es abstrakte Erinnerungen, Geschichten oder Gefühle, die im Herzen aufbewahrt werden. Sie können sehr persönlich sein, aber es gilt auch für die Gesellschaft. Dann sprechen wir vom kollektiven Gedächtnis. Gemeint sind damit Erinnerungen an Vergangenes, die eine ganze Gesellschaft formen, auch wenn sie lange zurückliegen.
Museen sind wie eine Schule, um das Erinnern und Bewahren zu üben
Mein Glaube an das ewige Leben ist nicht das Gleiche wie die Ausstellung eines Museums. Und doch hilft mir das Museum dabei, ein Sensorium für den Wert der Ewigkeit zu bekommen. Auch dort sind es ja nicht die Tonscherben und Artefakte, die ich bestaune, sondern die Gedanken, die sie auslösen. Museen sind wie eine Schule, um das Erinnern und Bewahren zu üben. Beim Rundgang durch die liebevoll aufbereiteten Relikte wird mit deutlich: Alles im Leben ist vergänglich, und doch wird nichts vergessen, es bleibt auf eigentümliche Weise bewahrt.
Ich brauche diese Räume, gerade im November. Dort spüre ich den Hauch der Vergänglichkeit und zugleich bekommt die Seele Nahrung für den Glauben an die Ewigkeit. Mir wird klar: Du und die Welt haben eine Zukunft und deshalb auch eine Verantwortung.