Appell für das Leben
Anmoderation: Am Sonntag, 24. November 2024, ist Ewigkeits- oder Totensonntag. Evangelische Christinnen und Christen gedenken ihrer Verstorbenen. Am sogenannten stillen Feiertag machen die wenigen schon offenen Weihnachtsmärkte Pause, die meisten beginnen erst danach. In Gottesdiensten werden die Namen der Toten des vergangenen Jahres verlesen. Für Andrea Seeger von der Evangelischen Kirche ist es nicht nur ein Tag der Trauer, sondern auch ein Appell für das Leben.
Ein engagierter Hesse ist gestorben, Friedrich von Metzler
Der Frankfurter Bankier Friedrich von Metzler ist vor wenigen Tagen gestorben – im Alter von 81 Jahren. Viele Hessinnen und Hessen werden die Familie von Metzler kennen, auch im Zusammenhang mit einem furchtbaren Verbrechen. Vor 22 Jahren ist ihr jüngster Sohn Jakob entführt und ermordet worden. Die Familie spricht bis heute nicht öffentlich darüber.
Vor 22 Jahren Trauer um den ermorderten Sohn Jakob von Metzler
Auf der Beerdigung von Jakob sagte der evangelische Pfarrer, dass die Familie nicht leben könnte und wollte mit dem Gedanken, die Welt sei grundsätzlich so grausam und schlecht, wie sie ihnen nun begegnet war. Daraus folgte: Die Eltern und die beiden Geschwister zogen sich in all ihrer Trauer nicht zurück, engagierten sich weiterhin, nahmen teil am Leben, kümmerten sich um andere.
Was Mut macht in der Trauer
Das beeindruckt mich. Und es macht Mut. Nicht in der Trauer zu verzweifeln, nicht zu erstarren, sondern anzunehmen, was passiert. Auch, wenn es ganz schlimm kommt. Auch, wenn es manchmal zum Verzweifeln ist. Tiefer als in Gottes Hand kann man nicht fallen.
Zwiesprache mit den Verstorbenen - im Gottesdienst und am Grab
Morgen ist Ewigkeitssonntag. Evangelische Christinnen und Christen gedenken ihrer Verstorbenen, besuchen Gottesdienste und Friedhöfe. Ich denke im Stillen an meinen Mann, der vor wenigen Wochen gestorben ist. Mein Herz ist voller Trauer, voller wehmütiger Erinnerungen.
Den Verlust annehmen und neue Aufgaben finden
Aber auch ich nehme am Leben teil, habe neue Aufgaben gefunden. Ich kümmere mich um mein drei Monate altes Enkelkind, koche für meine Schwiegertochter, treffe mich mit Freundinnen und Freunden, mache lange Spaziergänge mit dem Hund, halte Zwiesprache mit Gott, gehe ans Grab und rede mit meinem Mann. Das hilft mir, anzunehmen, was ich nicht ändern kann.
Die Lücke bleibt. Ich kann mit ihr leben lernen
Die Lücke bleibt, die ein Mensch mit seinem Tod hinterlässt. Aber ich bin gewiss: Es lässt sich lernen, mit ihr zu leben. Für mich ist damit auch ein Appell verbunden: Geh bewusst mit deiner Lebenszeit um und sei dankbar für das, was du hast.