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Wenn aus etwas Verdorbenem Neues erwächst

Ayleen Nüchter
Ein Beitrag von Ayleen Nüchter, Katholische Gemeindereferentin im Pastoralverbund St. Benedikt Hünfelder Land
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Da ist sie wieder: Die Kürbissaison. In unserem Garten wachsen und gedeihen sie seit Jahren, nicht alle aber landen im Kochtopf. Der eine oder andere verdirbt schon im Beet. So auch im letzten Jahr. So schade es auch war, ein besonders schönes Exemplar konnten wir deshalb nicht mehr essen. Also landete er, gemeinsam mit anderen Gartenabfällen auf dem Kompost. So weit so gut. Doch was im darauffolgenden Jahr daraus entstand, war erstaunlich: Denn aus den vielen Kernen sind über zwanzig neue Pflänzchen gewachsen. Zuerst dachten wir, es wäre Unkraut, doch was zum Vorschein kam, waren lauter neue orangefarbene Hokkaidokürbisse. Für mich ein wirklich beeindruckender Beweis dafür, was Schöpfung bedeutet: Denn es heißt schon in der Bibel, „wenn Samen auf fruchtbaren Boden fallen, wächst etwas Gutes daraus.“ Manchmal gerade dann, wenn wir gar nicht damit rechnen. Ein bisschen erinnert mich dieser verdorbene Kürbis, der vermeintlich „zu nichts mehr nütze ist“, an meine Arbeit als Gemeindereferentin.

Zu nichts nütze?

In vielen Trauergesprächen und auch im Schulunterricht, wird mir so manches Mal ganz unverblümt gespiegelt, wie wenig der Glaube oder die christlichen Werte noch anerkannt sind. Wie wenig die Menschen „damit noch etwas anfangen können“. Das stimmt mich ab und an nachdenklich. Ich bekomme viele (An)Fragen aus meinem Bekanntenkreis, wieso ich denn noch an Gott glaube und woran ich sein Wirken in meinem Leben festmache. Darauf eine Antwort zu geben ist nicht leicht. Aber es gibt sie!! Ich will es versuchen. Ich habe schon oft erlebt, wie unglaublich gut mir der Glaube tut und meist im Rückblick erkannt, dass Gott in sämtlichen Lebenslagen an meiner Seite war. Immer wieder begegnen mir Situationen, in denen ich im Nachhinein entdecke, hier war er selbst am Werk. Und das nicht nur an Tagen, an denen es mir gut ging. Sondern auch dann, als ich am Zweifeln und vielleicht sogar in einer Notlage war. Schwierige Zeiten, Schicksalsschläge, wer kennt das nicht. Dennoch spüre ich in allem, Gottes Liebe, seine Nähe und seinen Beistand.

Gottes Liebe ist allgegenwärtig

Ob im turbulenten Alltag von Familien mit Kindern, in lebendigen Beziehungen von Ehepaaren, aber auch im Alltag von Seniorinnen und Senioren. Gottes Liebe, sein Wort trägt reiche Früchte. Sei es beim gemeinsamen Gestalten eines Erntedankaltars, oder bei dem Feiern der zahlreichen Kirmesfeste. Selbst bei einem Spaziergang, bei dem man dankbar in der Natur unterwegs ist, können Samen der Botschaft Gottes in unseren Herzen wachsen. Ob unmittelbar sichtbar, oder – so wie bei den Kürbissen - einige Zeit später. Was mich hierbei entlastet: In den allermeisten Fällen liegt es nicht in unserer Hand, wo etwas wächst und wo Samen „auf steinigen Boden“ fallen. Gott selbst ist es, der Pflänzchen wachsen lässt, an Orten und in Begegnungen, wo wir sie gar nicht vermuten. Weil wir da vielleicht nur „den verdorbenen Kürbis“ sehen. Diese faszinierende Erfahrung immer wieder aufs Neue zu machen, treibt mich an. Mein Ziel ist es, egal, ob im Religionsunterricht oder bei Trauerfeiern im Begräbnisdienst; immer wieder aufs Neue, „Kürbiskerne“ zu hinterlassen - in Vertretung Gottes. Was daraus dann entsteht, bekomme ich meistens gar nicht mit. Aber, wenn es klappt und der Keim aufgeht, dann weiß ich ganz sicher, dass Gott es ist, der hilft, diese Pflänzchen wachsen zu lassen. Das bestärkt mich, weiterzumachen.

Aus jedem kleinen Kern kann Großes wachsen

Die Erfahrungen, die ich in meiner bisherigen Laufbahn als Gemeindereferentin, aber vor allem als gläubige Christin machen durfte, ist die, dass aus jedem noch so kleinen Kern, kostbare Pflänzchen wachsen können. Und das – obwohl ehrlicherweise viele in meiner Altersklasse überhaupt nicht verstehen wieso ich diesen Beruf ergriffen habe und gerne im Dienst der Katholischen Kirche unterwegs bin. Umso wichtiger erscheint es mir, selbstbewusst davon zu erzählen. Wo trage ich im übertragenen Sinne Kürbiskerne in mir, die in anderen Menschen wachsen können? Was darf ich aussäen? Ich denke hier an Talente und Fähigkeiten, die einem jedem Menschen von Gott mitgegeben wurden. Und so vielseitig die Verwertbarkeit eines Kürbisses ist, so zahlreich lassen sich unsere Gaben einsetzen, die wir als Menschen besitzen. Sei es im Umgang mit Kranken oder bei der Pflege hilfsbedürftiger Menschen. Vielleicht können wir unsere Kerne aussäen, indem wir einfach nur zuhören, oder einem lieben Menschen einen guten Rat mit auf den Weg geben? Ich bin sicher: Die Botschaft Jesu Christi und damit die tätige Nächstenliebe lebt davon, dass sie authentisch durch persönliches Zeugnis weitergetragen wird. Unabhängig davon, ob wir sie als haupt- oder ehrenamtliche Christen weitergeben oder im Alltag umsetzen. Das, was trägt, ist der Glaube daran, dass Gott in allem, was wir tun und sagen, durch uns wirkt. Daran glaube ich. Dennoch. So manches Mal werde ich dafür belächelt. Da heißt es dann: „Na, dir geht es ja auch gut. Da kann man leicht an Gott glauben.“ Stimmt teilweise, doch ich weiß: Gerade in Zeiten von Trauer, Aussichtslosigkeit und Verzweiflung war Gott da. Er hat mir schon etliche Male gezeigt, dass er manches, zum Wachsen und Blühen bringen kann, was ich längst für verdorben hielt.

Gott hält mich

Ende Juni machte ich für mich eine sehr bewegende Erfahrung. Bei einer Routineuntersuchung stellte meine Ärztin einen 5 cm großen Tumor in meiner Brust fest. Für mich war klar: Das ist Krebs. Bösartig. Die Angst um mein Leben war für mich noch nie zuvor so spürbar. Nach einigen Tagen der Ungewissheit kam dann der erlösende Anruf: Der Tumor ist gutartig und muss lediglich aufgrund der Größe schnellstmöglich entfernt werden. Ich bin im Rückblick unglaublich dankbar, dass ich den Weg einer langwierigen, schmerzvollen Therapie nicht gehen musste. Mir ist bewusst, viele andere Frauen müssen dies aber auf sich nehmen. Und dennoch möchte ich Mut machen: nicht aufzugeben, nicht hadern und vor allem: nicht den Glauben an Gott zu verlieren. Was berührt sie? Wo treffen Sie auf Gott? Im Gebet? Beim Spaziergang? Wenn Sie in anderen Städten Kirchen besuchen? Es ist fast egal, es braucht nur ein waches Auge und ein offenes Herz. Und schon kann ich unmittelbar Gottes Wirken erkennen. Ob ein Firmling, der nach Jahren der Abwendung von Kirche nun wieder mit Fragen und Neugier auf mich zukommt. Oder auch trauernde Familien, die sich auf der Beerdigung eines lieben Menschen von meiner Arbeit getröstet fühlen. Gott ist da, er lässt was entstehen: seine Botschaft, die im Hier und Jetzt wirkt: die so manches Mal den Blick und den Weg eines Menschen verändern kann. Ob über Umwege oder an Kreuzungen des Lebens, wo man nicht weiß, welche Richtung man einschlagen soll. Gott führt, ich muss nur vertrauen. Ich werde nie vergessen, wie traurig ich damals über eine Absage auf meine Bewerbung zur Orthopädieschuhmacherin war. Und heute bin ich dankbar, dass mich mein Weg in meinem jetzigen Beruf geführt hat. Unerwartet wendete sich hier vermeintliches Unglück in eine positive Richtung. Christsein ist für mich eine echte Bereicherung.

Eine Gemeinschaft, die hält und stützt

Die Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde trägt mich in guten, und auch in schweren Zeiten. Ich fühle mich getragen, wenn ich weiß, dass Menschen in meinem Umfeld für mich beten und mit mir im Gebet verbunden sind. Gerade, als im Sommer diesen Jahres dann die Brust-OP bevorstand, stellte ich fest: Ohne das Gebet meiner Mitmenschen und dem tiefen Glauben an Gottes Schutz, hätte ich nicht so viel Vertrauen in den Eingriff haben können. Als einen echten Schatz empfinde ich außerdem den sonntäglichen Gottesdienst. Hier komme ich zur Ruhe und es fällt mir leichter mit allem, was vor mir liegt, in die neue Woche zu starten. Eine Bibelstelle, die mir ganz besonders am Herzen liegt und mir Kraft schenkt, macht mir immer wieder bewusst, wie nah mir Gott ist. Bei allem, was ich tue, ist er da. Mit Blick in das Alte Testament begegnen mir Worte, die von derselben Zuversicht sprechen, die auch in mir wohnt. Menschen schrieben vor Jahrtausenden existentielle Erfahrungen ihres Lebens in Psalmen nieder, als Gebete, Lieder und poetische Zeilen. Einer der über 100 Psalmen berührt mich besonders.

Psalm 23:

Der HERR ist mein Hirt, *
nichts wird mir fehlen.

Er lässt mich lagern auf grünen Auen *
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Meine Lebenskraft bringt er zurück. /
Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, *
getreu seinem Namen.

Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, *
ich fürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir, *
dein Stock und dein Stab, sie trösten mich.

Du deckst mir den Tisch *
vor den Augen meiner Feinde.
Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, *
übervoll ist mein Becher.

Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang /
und heimkehren werde ich ins Haus des HERRN *
für lange Zeiten.

Nutzen Sie diese Zeilen: Sprechen auch Sie doch mal über ihren Glauben, über die Kirche, die Gemeinschaft, das Miteinander. Was steht in Ihrer Gemeinde an? Wo können Sie mitwirken? Was können Sie aussäen? Helfen Sie mit, immer wieder fruchtbringende Kerne zu hinterlassen. Ich finde, es lohnt sich für Gott, für unser aller Hirte Werbung zu machen. Ich wünsche Ihnen Momente, in denen Sie spüren, dass so manches, was aufgegeben oder verdorben scheint, zahlreiche kraftvolle Pflanzen hervorbringen wird. Er, der gute Hirt ist an unserer Seite. Schritt für Schritt, an jedem neuen Tag. Er sorgt und begleitet - Sie und mich und lässt dort etwas wachsen, wo wir das Gefühl haben, es gäbe nur noch Dürre. Gott selbst ist es, der immer wieder daran erinnert, die Hoffnung auf seine reiche Ernte nicht aufzugeben.

 

 

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