Gemeinsam statt einsam
Es ist Dienstag, acht Uhr morgens. Es klingelt an Ingeborgs Wohnungstür. Sie steht von ihrem Küchentisch auf. Ingeborg öffnet die Tür. Vor ihr steht Wolfgang, der Fahrer von der Diakonie, der wie jeden Dienstag und Donnerstag um diese Uhrzeit bei ihr klingelt. Wolfgang hilft ihr, die Jacke anzuziehen. Beide gehen die Treppen hinunter zum Kleinbus, in dem schon vier ältere Menschen sitzen. Gemeinsam fahren sie zum Tagestreff. Dort wird Ingeborg den Tag verbringen.
Trau dich, aus dem Haus zu gehen
Seit drei Monaten nimmt Ingeborg dieses Angebot wahr. Sie ist überzeugt: Die Gemeinschaft tut ihr gut. Sie ist 82 Jahre alt. Viele ihrer Freundinnen sind schon gestorben. Und es fällt ihr nicht leicht, neue Menschen kennenzulernen. Deshalb war sie froh für den Anstoß ihrer Tochter. Die hat zu ihr gesagt: Mama, du musst mehr unter Leute. Ich erkundige mich mal, was es für dich gibt. Du sitzt zu viel auf dem Sofa. Das kann nicht gut sein für dich.
Gemeinschaft verlängert das Leben
Das hat kürzlich eine Studie aus Osaka in Japan bestätigt . Forschende wollten wissen: Welche Faktoren beeinflussen ein gesundes Altern? Dabei nahm das Forschungsteam fünf Jahre lang Daten von Menschen über 65 und ordnete ihre Gebrechlichkeit im Lauf der fünf Jahre ein. Ein Teil der Personen besuchte gemeinschaftliche Tagesangebote. Der andere Teil hatte einen persönlichen Assistenzdienst, der zu ihnen nach Hause kommt und bei täglichen Aufgaben hilft.
Andere Leute sind noch wichtiger als Assistenz
Das Ergebnis: Gemeinschaft wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden aus. Persönliche Assistenzdienste helfen zwar im Alltag, können aber das Stadium der Gebrechlichkeit nicht beeinflussen oder verzögern. Gemeinschaftliche Tagesangebote können das Risiko von körperlichen Leiden oder Demenz allerdings um bis zu 40 Prozent vermindern. Die Forschenden raten deshalb, gemeinschaftliche Angebote außer Haus wahrzunehmen, anstatt zu Hause zu bleiben.
Bewegen, essen, spazieren zusammen
So wie Ingeborg. Sie kommt im Tagestreff an und wird gleich von Tanja begrüßt, die hier arbeitet. Das Frühstück wartet auf sie. Sie setzt sich an den gedeckten Tisch. Später machen alle Gymnastik, und nach dem Mittagessen wird sie mit anderen spazieren gehen. Das alles ist schöner mit anderen, als es allein zu tun.
Grundidee des Glaubens
Auf die Kraft der Gemeinschaft bauen: Das ist von Beginn an eine Grundidee im christlichen Glauben. Jesus hat gleich zu Beginn seines Wirkens einen Kreis von Jüngern berufen. Mit ihnen gemeinsam zog er durchs Land und führte immer wieder neu Menschen zusammen. Nach Jesu Tod blieben die Jünger beieinander und stärkten sich gegenseitig. Neue Gemeinschaften entstanden. Bis heute. Wie hier im Tagestreff der Diakonie.
Als Ingeborg gegen 17 Uhr wieder zu Hause ankommt, denkt sie noch mal an das, was sie heute erlebt hat. An die Leute, mit denen sie sich unterhalten hat. Und freut sich auf Donnerstag. Wenn Wolfgang wieder klingelt.