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Als das Christentum nach Europa kam
GettyImages/Aggelos Giannikos

Als das Christentum nach Europa kam

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad
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Unser ökumenisches Autorenduo Anne-Katrin Helms und Ansgar Wucherpfennig ist auf den Spuren des Apostels Paulus nach Griechenland gereist. Mit im Gepäck die Frage. Was hat die Leute damals so am christlichen Glauben begeistert, dass er sich in Europa verbreitet hat? Wie wirkt der Geist der ersten Christinnen und Christen bis zum Pfingstsonntag heute nach?

Sprachgewirr am Flughafen

Ansgar Wucherpfennig:
Frankfurt Flughafen. Beim Einchecken vor uns in der Warteschlange eine griechische Familie mit Kindern, Jugendlichen, die Mama, der Papa und die Oma, dazu riesige Koffer, Kinderspielzeug und weitere kleinere und größere Gepäckstücke. Hinter uns in der Warteschlange ein Vater mit einem kleinen Sohn, nicht klar, woher er kommt. Auch er hat zwei große Koffer. Um uns herum ein großes Sprachgewirr: Deutsch, Englisch, Chinesisch, Russisch, Italienisch, Griechisch. Alles wuselt und rennt durcheinander.

Wir sind zu viert und warten auf unseren Flug nach Thessaloniki. Wir wollen zehn Tage auf den Spuren des Apostels Paulus durch Griechenland reisen: Kavala, Philippi, Thessaloniki und Veria, Athen und Korinth.  

Die zweite Missionsreise des Apostel Paulus führt ihn nach Europa

Über die Reise des Paulus erzählt die Apostelgeschichte im Neuen Testament. Wir machen uns auf den Weg, den Paulus auf seiner zweiten Missionsreise gegangen ist. Vorher war er ausschließlich in Vorderasien unterwegs. Jetzt tut er den Schritt nach Europa. Wir begeben uns auf seine Spur. Wir wollen dem näher kommen: Was hat die Leute damals am christlichen Glauben so begeistert, dass er sich in Europa verbreitet hat? Und: Wie wirkt dieser Geist der ersten Christinnen und Christen weiter bis zu uns heute?

Gottes Geist ist überall am Werk - auch wenn etwas nicht funktioniert

Anne-Katrin Helms:
Wie wirkt Gottes Geist? Die Frage passt zum Pfingstsonntag heute, dem Fest des Heiligen Geistes. Der Apostel Paulus sah immer und überall den Geist Gottes am Werk. Wenn er mit seiner Mission an einem Ort keinen Erfolg hatte, dann heißt es in der Bibel: Der Heilige Geist hat es verwehrt (Apostelgeschichte 16,6). Sehr praktisch, könnte man einwenden. Wenn man irgendwo nicht weiterkommt, kann man es auf den Heiligen Geist schieben. Aber es ist durchaus eine geistvolle Einsicht: Ein Vorhaben, ein Plan, eine Idee ist gerade nicht an der Zeit. Es hat keinen Zweck, dass ich mich dafür verkämpfe. Also schlage ich einen anderen Weg ein.

In Griechenland hat das Christentum erstmals europäischen Boden betreten

So hat es der Apostel Paulus gemacht. Er gelangt dadurch von Asien nach Europa. Pater Ansgar Wucherpfennig und ich, Anne-Katrin Helms, evangelische Pfarrerin, waren mit zwei weiteren unterwegs auf den Spuren des Paulus. In dieser hr2 Morgenfeier nehmen wir Sie mit nach Griechenland an die Orte, an denen das Christentum erstmals europäischen Boden betreten hat.

Wird uns ein guter Geist leiten?

Die Reise des Paulus nach Griechenland dauerte ungefähr drei Jahre. So lange war ich noch nie unterwegs. Aber egal ob für drei Jahre oder für zehn Tage wie bei unserer Reise, es ist immer ein Schritt: raus aus dem Vertrauten, weg von Freundinnen und Familie, neue Wege ausprobieren. Nun stehen wir also in der Warteschlange am Flughafen. Ein bisschen mit der Ungewissheit im Bauch: Wie wird es werden? Mit den Worten des Paulus gesagt: Wird uns ein guter Geist leiten? Neben der Ungewissheit freue ich mich darauf, neue Leute kennenzulernen und zu erfahren, wie Menschen woanders leben. Ich mag es, andere Landschaften zu sehen und Gerüche zu riechen: den Duft von Pinien und Jasmin, von frisch gebackenem Fladenbrot und Olivenöl.

Für die Reise nach Griechenland habe ich dünne und dicke Klamotten eingepackt. Man weiß ja nie, wie das Wetter im Frühling wird. Außerdem müssen die Sachen passen für Stadtbesichtigung, Ausgrabungsstätten, Strand, Bergwanderung.

Von Jerusalem in die Hafenstadt Troas in der heutigen Türkei

Was für Gepäck hatte wohl Paulus? In der Bibel steht nichts darüber. Bestimmt viel weniger Gepäck als ich. Er war meistens zu Fuß unterwegs, aber auch mit einem Pferdewagen; und das viele Hunderte Kilometer lang. Als er in Griechenland ankam, hatte er schon eine lange Wegstrecke hinter sich. Er ist von Jerusalem in die heutige Türkei gereist und dann in eine Hafenstadt am Mittelmeer gekommen: nach Troas. Dort hat er einen Traum, der seine Reiseroute entscheidend verändert.

Musik: Dervis Mehmed, Taksim & Makam (improv. & dance) "Uzzäl uşūleş Darb-i feth" (Montserrat Figueras)

Von Troas per Schiff ins heutige Kavala in Griechenland

Ansgar Wucherpfennig:
In der türkischen Hafenstadt Troas träumt Paulus in der Nacht. Ein Mazedonier erscheint ihm auf der gegenüberliegenden Küstenseite und ruft ihm über das Mittelmeer zu: „Komm herüber und hilf uns!“ (Apostelgeschichte 16,9) Paulus versteht den Traum als Ruf Gottes. Er setzt sogleich mit dem Schiff über nach Europa, genauer: nach Neapolis. Neapolis ist auch das erste Ziel unserer Reise im Frühling 2023. Genauer: Kavala. So heißt das heutige Neapolis.

Kavala ist eine Hafenstadt, der Weg über das Mittelmeer zur Türkei ist nicht weit. Aus dem Fenster unserer Unterkunft sehe ich den Hafen und dann in Richtung Osten, da liegt irgendwo die türkische Küste. Von dort also ist Paulus gekommen. Während ich aus dem Fenster schaue, geht dort die Sonne auf. So hat Paulus das Ziel seiner Reise verstanden: Er will das Licht des auferstandenen Christus und den Gott Israels zu den Menschen in Europa bringen.

Paulus will das Licht des auferstandenen Christus zu den Menschen in Europa bringen

Anne-Katrin Helms:
Paulus bleibt nicht in Kavala. Er will gut 25 Kilometer weiter ins Landesinnere nach Philippi, weil dort eine jüdische Gemeinde ist. Heute ist von der riesigen Stadt nur noch eine Ausgrabungsstätte übrig: Theater, Marktplatz und die Reste eines Tempels. Ich stelle mir vor, wie Paulus durch die Straßen geht, einkauft und mit Leuten redet.

Die Purpurhändlerin Lydia läßt sich taufen

In der Bibel steht: Nach einigen Tagen entdeckt er eine jüdische Gebetsstätte an einem Fluss. Paulus trifft dort eine Frau. Sie heißt Lydia. Eine Purpurhändlerin. Sie muss eine selbstbewusste Geschäftsfrau gewesen sein. Sie hört Paulus zu, wie er von Jesus als dem Messias erzählt und dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. Schnell entschließt Lydia sich dazu, sich taufen zu lassen. Der erste getaufte Christenmensch Europas ist eine Frau.

Auf unserer Reise kommen wir zu der Taufstelle der Lydia. Dort erzählen wir uns, was wir über unsere Taufe wissen: wann und wo sie war, was es für uns bedeutet, getauft zu sein. Es tut gut, so selbstbewusste und selbständige Frauen wie die Purpurhändlerin Lydia als Vorfahrinnen zu haben.

Ich habe mich gefragt: Was begeistert mich am Glauben an Jesus Christus? Ich hoffe, unsere Reise auf den Spuren des Paulus bringt mir ein paar Antworten.  

Musik: Ahoar, Raqes

Von Philippi nach Thessaloniki

Ansgar Wucherpfennig:
Auf unserer Griechenland-Reise auf den Spuren des Paulus liege ich nachts wach und denke über den weiteren Weg nach. Unsere nächste Station ist Thessaloniki. Dorthin geht auch Paulus. Er benutzt für seine Reise die Via Egnatia, eine große Straße, die zweispurig vom Balkan in Richtung Rom führte. Paulus weiß nicht, was ihn erwartet. Paulus ist wohl durch das antike Stadttor nach Thessaloniki gekommen. Auf seiner Route durch die weite, wunderschöne Landschaft hatte er immer wieder Ausblicke auf das Meer und den Olymp. In Thessaloniki liegt unser Quartier ganz in der Nähe des Hafens. Vielleicht hat Paulus ebenfalls in der Nähe des Hafens gewohnt. Die ganze Stadt ist vom Hafen und vom Wasser geprägt.

Anne-Katrin Helms:
Heute wälzen sich durch die Straßen lange Schlangen von Autos. Die Fahrer blinken, hupen und fluchen. Dazwischen Motorroller, die wie Bienen durch den Verkehr sausen. Einer hat sogar seinen Hund auf dem Motorroller dabei. Entlang der Straßen gibt es Läden allerlei Art: Fleisch, Ziegen und Hammel hängen am Haken, Fisch, Oliven, Tomaten, Paprika, Zwiebeln, Avocado, aber auch Kleider, teure Marken und billige Fummel. Die Leute drängen sich in den Straßen und Gassen. Sie treffen sich, plaudern, handeln mit den Verkäufern.

Paulus kennt niemanden in Griechenland - aber er kann die Sprache

Das war zur Zeit des Paulus nicht viel anders. Mitten in diesem Getümmel will Paulus das Evangelium verkünden. Er kennt zwar niemanden in Griechenland, aber zum Glück ist ihm die Sprache nicht fremd. Griechisch hat er als Kind gelernt. Aber der Akzent, die Menschen und ihre Gewohnheiten, das kennt er alles noch nicht.

Ansgar Wucherpfennig:
Seine Aufgabe ist Paulus klar: Jede und jeder soll hier die frohe Botschaft von Jesus hören. Nicht dem Kaiser in Rom mit seinem Herrschergehabe und seiner Willkür gehört die Macht. Jesus Christus, der jüdische Messias mit seiner sanften Weisheit und seiner klaren Hoffnung bringt das Leben. Er ist der Retter und König aller Menschen, auch hier in Thessaloniki. Wo soll Paulus das verkünden? Paulus stellt sich nicht wie selbst ernannte Straßenprediger in die Fußgängerzone und schreit allen Passanten ein „Jesus liebt dich“ entgegen. Dafür ist seine Botschaft zu persönlich und zu wichtig. Er will sie nicht plakativ mit einem einfachen Satz verbreiten.

Paulus geht in die Synagoge

Es braucht das Herz der Menschen, um sie aufzunehmen. Und es braucht ihren Verstand, um sie in der Bibel nachzulesen und zu durchdenken. Deshalb geht Paulus zunächst in die Umgebung, die er kennt: in die Synagoge. In der Synagoge ist Paulus aufgewachsen. Er weiß, was dort Woche für Woche in der Bibel gelesen wird. Damit kann er am besten mit seiner Botschaft von Christus anknüpfen.

Ihm ist klar:  Wenn er als Jude verkündet, dass der jüdische Messias der Retter der ganzen Welt ist, nicht nur Israels und der Juden, sondern der Retter aller Menschen, dann wird er einige vor den Kopf stoßen. Denn viele Juden glaubten: Der Messias kommt nur zu seinem eigenen Volk. Er sammelt die Jüdinnen und Juden, die in vielen Ländern verstreut leben, und bringt sie zurück nach Israel. Und dann beginnt das Reich Gottes.

Alle sind eins in Christus

Paulus dagegen hat die Botschaft vom Messias Jesus universal verstanden: An jedem Ort weltweit können Juden und Nicht-Juden eine Versammlung von Christusglaubenden bilden. Alle in dieser Versammlung haben gleiche Rechte: Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Männer und Frauen (Galater 3,28). Alle sind eins in Christus. So soll es auch ihr Gottesdienst ausdrücken. In den christlichen Gemeinden, die Paulus gründet, genießen darum Frauen die gleichen Rechte wie Männer. Das ist eine Wirkung des Heiligen Geistes, um den es am Pfingstsonntag geht: Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit. (2. Korinther 3,17)

Musik: Reinhard Börner, Ich singe Dir mit Herz und Mund

Paulus muss aus Thessaloniki fliehen

Anne-Katrin Helms:
Paulus hat auf seiner Missionsreise in Griechenland zwar einigen Erfolg. Aber er stößt immer wieder auch auf vehementen Widerstand. Aus Thessaloniki muss er mitten in der Nacht fliehen.

Mich beeindruckt, dass Paulus nicht aufgibt. Er verfolgt sein Ziel, auch wenn ihm dabei Steine in den Weg gelegt werden. Für die Botschaft, dass Gott den gekreuzigten Jesus vom Tod auferweckt hat, für diese Botschaft geht er sogar ins Gefängnis. Sein starker Glaube gibt ihm Widerstandsgeist und innere Unabhängigkeit. Manchmal wünsche ich mir auch, dass ich mich nicht so davon abhängig mache, wie ich ankomme oder wie das ankommt, was ich sage.

Würde man Paulus heute einen Fanatiker nennen?

Aber auf der anderen Seite irritiert es mich, mit welchem Eifer Paulus unterwegs ist. Würde man Paulus heute einen Fanatiker nennen? Wann kippt die Begeisterung für den eigenen Glauben und wird gefährlich intolerant? Ich werde auf dieser Reise zu einer Antwort finden.

Paulus in Athen

Ansgar Wucherpfennig:
Athen ist unsere nächste Station. Von der Dachterrasse in unserem Quartier haben wir einen wunderbaren Blick auf die Akropolis, dem Burgberg über der Stadt. In der Nacht strahlt der Marmor und wirkt wie schwebend über den Dächern der Stadt.

Anne-Katrin Helms:
Wir machen eine Tagestour zur Agora, also dem antiken Marktplatz und zur Akropolis. Wir sehen die Bauten für die ersten demokratischen Versammlungen, die Wandelhallen und Märkte. Alle Tempel und Gebäude waren damals so konstruiert, dass sie mächtigen Eindruck auf die Leute machen sollten. Der einzelne Mensch sollte sich klein fühlen und voller Ehrfurcht vor die Götter treten.

Aber Paulus beeindruckt die Architektur offenbar nicht. Er lobt zwar die Frömmigkeit der Menschen in Athen. Aber für die Verehrung handgemachter Göttermonumente hat er kein Verständnis.

Eine der größten Reden der Apostelgeschichte

Ansgar Wucherpfennig:
Paulus hat in Athen eine der größten Reden der Apostelgeschichte dagelassen. Diesmal ist er nicht in die jüdische Synagoge gegangen, sondern setzt sich mit den Philosophen der Stadt auseinander. Er macht das sehr geschickt. Er verbindet die Gedanken der griechischen Philosophie mit seinem biblischen Verständnis von Gott. Er sagt es etwa so: Der Gott, den ich verkünde, ist euch nicht fern; im Grunde kennt ihr ihn schon. Ihr habt mit eurem Denken erfasst, dass ihr diesen Gott sucht, um ihn zu berühren und zu finden. Diesen unbekannten Gott verkünde ich euch, denn er ist der einzige wirkliche Gott. Er gibt sich selbst zu erkennen und sucht nach den Menschen. (Apostelgeschichte 17)

Da, wo ich gerade bin, kann ich etwas von Gottes Geistkraft spüren

Mir bedeutet diese Rede viel. Mich beeindruckt, wie Paulus von Gott spricht: Keinem von uns ist Gott fern. In Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir. Das heißt für mich: Gott ist mir ganz nahe, und ich brauche ihn nicht irgendwo in der Ferne zu suchen. Da, wo ich gerade bin, kann ich etwas von Gottes Geistkraft spüren. Sie zeigt sich als guter Einfall, als das Gefühl von Geborgenheit, als Begeisterung, als Trost.

Von Athen nach Korinth

Anne-Katrin Helms:
Von Athen ist Paulus nach Korinth weitergereist. Korinth war damals sogar bedeutender als Athen. Athen hatte zwar einen großen Namen, aber Korinth hatte wirtschaftliche und politische Macht. Die Stadt lag an der schmalen Landbrücke, die das griechische Festland mit der großen Halbinsel, dem Peloponnes verbindet. Sie hatte zwei Häfen: im Osten hin zur Ägäis und im Westen hin zur Adria. Für Paulus ideal: Von dort kann er nach Rom weiterreisen, in die Hauptstadt des Kaiserreichs, aber auch wieder zurück nach Jerusalem.

Die Menschen wollen Paulus nicht hören

Ansgar Wucherpfennig:
Auch in Korinth stößt Paulus seine Zuhörer und Zuhörerinnen ziemlich vor den Kopf. In der Synagoge kann er nicht lange predigen. Die Leute schleppen ihn auf die Rednerbühne auf dem Marktplatz. Dort soll er sich vor dem Statthalter erklären. Sie hoffen, dass er sofort verurteilt wird. Aber der Statthalter mischt sich nicht in religiöse Angelegenheiten ein.

Von dieser Rednerbühne ist noch die steinerne Basis erhalten. Wir haben uns daraufgestellt. Es ist ein besonderes Gefühl, dort zu stehen, wo Paulus stand und sich verteidigt hat.

Trotz seiner Angst bleibt Paulus eineinhalb Jahre in Korinth

Offenbar wollte Paulus schnell weg aus Korinth. Aber wieder hat er eine Vision in der Nacht. Gott spricht zu ihm: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir.“ (Apostelgeschichte 18,9) Paulus bleibt dann tatsächlich eineinhalb Jahre in Korinth. Das ist eine Wirkung von Gottes Geistkraft: Angst überwinden, Mut gewinnen. Erfahren, dass Gott an meiner Seite ist. Und erkennen: Wann ist es angezeigt weiterzuziehen? Und wann ist es gut zu bleiben?

Musik: Johann Sebastian Bach, Fürchte Dich nicht (Bach Collegium Japan unter Mazaaki Suzuki

Was hat diese Reise auf den Spuren des Paulus gebracht?

Anne-Katrin Helms:
Das in der Antike mächtige Korinth ist heute keine große Stadt mehr. Es gibt viele Olivenplantagen, Wildblumen, soweit das Auge reicht, und darüber ein leuchtend blauer Himmel. Korinth war die letzte Station unserer Reise auf den Spuren des Paulus. Hier habe ich überlegt: Was berührt mich an Paulus, mit dem der christliche Glaube nach Europa kam? Hat mir die Reise von Kavala über Thessaloniki und Athen nach Korinth ein neues Bild von Paulus geschenkt?

Ja, sie hat mir Paulus nähergebracht. Ich kann jetzt die Worte aus seinen Briefen und aus der Apostelgeschichte mit den Orten verbinden. Ich weiß, wie es dort aussieht, wie es sich anfühlt und wie es riecht.

Trotz heftigem Gegenwind hat Paulus seinen Glauben gepredigt

Besonders beeindruckt mich an Paulus seine Begeisterung für den Glauben an Christus und sein Widerstandsgeist. Paulus reist unermüdlich von Stadt zu Stadt und gibt nicht auf, obwohl er viel Gegenwind erfährt. Dabei war ja allein schon der Weg eine Strapaze. Zu Fuß oder mit dem Pferdewagen und nicht wie wir bequem mit dem Auto oder Zug. Mittlerweile denke ich nicht, dass Paulus fanatisch war. Er war einfach durch und durch von seiner Begeisterung für Jesus Christus erfüllt, von dem neuen Lebensgefühl, das ihm sein Glaube gegeben hat. Und das konnte er nicht für sich behalten. Er wollte, dass so viele Menschen wie möglich den Geist Gottes von Glaube, Hoffnung, Liebe entdecken.  

Paulus war offen für ganz unterschiedliche Menschen

Mir war vorher nicht bewusst, dass Paulus auf seiner Reise besonders Frauen für den Glauben an Christus gewonnen hat. Das macht ihn moderner als sein Ruf. Und Paulus ist nicht festgelegt auf eine bestimmte Klientel. Er spricht mit Philosophen in Athen genauso wie mit den Leuten, die in Philippi zum Beten an eine bestimmte Stelle am Fluss kommen. Offen für ganz unterschiedliche Menschen sein – das ist der Geist, der mir an unseren Stationen auf den Spuren des Paulus begegnet ist.

Gott nicht nur an gewohnten Orten suchen

Ansgar Wucherpfennig:
Unsere Reise ist in Korinth zu Ende. Von dort sind wir zum Flughafen in Athen gefahren, und sofort hatte uns die Menschenmenge wieder, das Sprachgewirr, das Gewusel, international, alt und jung, verschiedene Hautfarben. Auch wenn ich es anstrengend auf dem Flughafen fand: Ich musste an Paulus denken und daran, dass es genau das war, was er gesucht hat: Menschen unterschiedlicher Sprache, Herkunft und Religion. Dazu ist er gereist. Das Reisen hat ihn aus dem Vertrauten herausgeführt ins Fremde. Die Fremde ist ihm immer wieder zur Heimat geworden. Das gehört wohl dazu, wenn Gottes Geist im Leben eines Menschen wirkt: immer wieder neu nach Gott zu suchen, nicht nur in den vertrauten vier Wänden, sondern auch da, wo man ihn nicht ahnt.

Musik: Felix Mendelssohn, Singet dem Herrn ein neues Lied (Stuttgarter Kammerchor unter Frieder Bernius)

 

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