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Achtsamkeit dank Igelfamilie
Bild: pkixabay

Achtsamkeit dank Igelfamilie

Dr. Paul Lang
Ein Beitrag von Dr. Paul Lang, Diakon und Lehrer für Latein, Musik und Religion in Amöneburg
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Unterwegs auf der Bundesstraße. Es herrscht dichter Feierabendverkehr. Ich bin auf dem Heimweg, ein bisschen ungeduldig. Plötzlich leuchten die Bremslichter des Wagens vor mir auf. Er hält an. Warum? Ich kann keinen Grund erkennen. Weitere Fahrzeuge vor uns stehen bereits. Ganz vorne sehe ich jetzt jemanden aussteigen. Eine Frau.

Sie hebt die Hand und stoppt nun vorsichtig auch den Gegenverkehr. Auch auf der Gegenfahrbahn bleiben alle Autos stehen. Immer noch kann ich keinen Grund erkennen. Die Frau beugt sich jetzt nieder. Ich lasse das Fenster herunter und lehne mich hinaus. Was geht da vor sich? Vor der Frau auf der Straße bewegt sich etwas; ich kann es erst nur schemenhaft erkennen.

Igelfamilie auf Reisen

Unbeholfen, tapsig aber mit klarem Ziel; ein wenig unscheinbar und doch charmant: Ein Igel. Von weitem kaum wahrzunehmen, überquert er jetzt unter den sorgsamen Blicken der Frau die Straße. Ein paar Igel-Babys folgen ihm. Was ein bewegendes Bild: die possierliche Tierfamilie unten auf dem Boden, die menschliche Beschützerin darüber gebeugt, dahinter die Kulisse großer Autos. Offensichtlich geht es allen ähnlich wie mir; keiner hupt, niemand zeigt Ungeduld. Eine Igelfamilie: So verletzlich und zugleich ahnungs- und arglos.

Mein leichter Unwille wegen des ungeplanten Anhaltens ist längst verflogen. Ich schäme mich inzwischen sogar ein bisschen dafür. Wie achtsam die Fahrerin da vorne war. Das imponiert mir sehr. Achtsamkeit: Einen Blick für die kleinen Dinge haben, die unscheinbaren und verletzlichen. Für die, die Hilfe gebrauchen können. Das tut gut. Dem, der achtsam mit anderen umgeht, tut es gut, genauso auch dem, der Achtsamkeit erfährt.

Hinsehen und handeln

Und dann das Zupacken. Auch das gefällt mir. Nicht nur sehen, dass da Hilfe gebraucht wird, sondern auch anhalten, die Initiative ergreifen. Aussteigen aus dem Trott des Alltags, des Abstumpfens, des gar nicht mehr genau Hinsehens. Rechtzeitig die Bremse treten, Halt machen, Platz schaffen. Und keine Scheu haben, beim Einsatz für das Schützenswerte und Gefährdete auch andere einzubinden. All das schießt mir durch den Kopf, während die kleinen Igel mit der Igel-Mama tapsig Meter für Meter bewältigen und sich dem gegenüberliegenden Straßenrand nähern.

Advent – Zeit für Achtsamkeit

Eigentlich sind Advent und Winter genau die passende Zeit, Achtsamkeit zu kultivieren, finde ich. Still werden und der Zeit ein anderes Gewicht geben als sonst. Ein neues geistliches Lied fällt mir dazu ein. Mein Chor hat es schon oft gesungen. Es stammt von Peter Strauch:

Meine Zeit steht in deinen Händen. / Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. / Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. / Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir.

Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb / Nehmen mich gefangen, jagen mich. / Herr ich rufe: Komm und mach mich frei! / Führe du mich Schritt für Schritt.

Mir gefällt dieser Gedanke am Beginn eines neuen Tages. Ein bisschen Entschleunigung und Achtsamkeit wünsche ich Ihnen und mir.

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