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Kartoffeln haben Augen
Bild: pexles/ellie burgin

Kartoffeln haben Augen

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen
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Kartoffeln haben Augen. „Augen“ nennt man die grünen Stellen oder Keime, die man beim Zubereiten entfernen sollte. An diesen Stellen ist der Alkaloid-Gehalt hoch. Eine chemische Verbindung, die dem Körper nicht guttut.

Ein Bild der japanischen Künstlerin Ichio Usui

Kartoffeln haben Augen. Augen, die mich anschauen auf dem Bild der japanischen Künstlerin Ichio Usui. Auf den ersten Blick ganz witzig anzusehen. Ein Haufen Kartoffeln in verschiedenen Größen und Formen mit Augen. Vielleicht Puppenaugen.

„Essen wirft man nicht weg.“ Diesen Satz bekam die japanische Künstlerin als Kind am Esstisch zu hören, wenn sie an der Mahlzeit was herummäkelte. Dieser Satz hat sie und ihre Kunst geprägt. Japan gehört zu den Ländern, die den meisten Lebensmittelabfall pro Person produzieren. 

Ichio Usui macht auf weggeworfene Lebensmittel aufmerksam

Mit ihrer Fotoserie „Silent Voice“ macht Ichio Usui auf all das weggeworfene Obst und Gemüse aufmerksam, das ungegessen im Müll landet. Nur weil es vielleicht eine kleine matschige Stelle oder die falsche Form, Größe oder Farbe hat. 

Die Spielzeugaugen, die die Künstlerin den Kartoffeln aufsetzt, verwandeln jede achtlos weggeworfene Knolle in ein Subjekt, das mich still anschaut. Ohne Worte sagt es vielleicht: Ich verdiene Respekt und Wertschätzung. 

„Brot wirft man nicht weg!“

Ich selbst habe in meiner Kindheit so oft gesagt bekommen: Brot wirft man nicht weg. Auch ich habe diese Einstellung verinnerlicht. Es war die Kriegsgeneration, die das sagte. Sie hat Hunger erlitten. Das ist heute anders. Es gibt viel mehr zu Essen als wir zum Leben brauchen. 

In Deutschland landen Jahr für Jahr rund 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Verbraucherinnen und Verbraucher werfen pro Kopf etwa 75 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg. Die meisten Abfälle fallen in Privathaushalten an. 

Wegwerfen schadet

Nicht nur dass Menschen hungern, während ich Lebensmittel wegwerfe. Dieses Wegwerfen schadet auch dem Klima. Beides trägt dazu bei, dass ich daran beteiligt bin, Gottes gute Schöpfung zu zerstören. 

Dabei hat er sie uns doch anvertraut.

Allein schon durch den Transport von Lebensmitteln entstehen Treibhausgase wie CO2, die für den Treibhauseffekt verantwortlich sind. Der wiederum ist für die Erderwärmung verantwortlich. 

Verantwortlich handeln

Was tun? Mehr essen statt wegwerfen? Nein, weniger Einkaufen, weniger Kochen, den Teller nicht überladen und Aufessen. 

Mich sprechen die stillen Augen der Kartoffeln der japanischen Künstlerin Ichio Usui an. Sie sagen mir, dass ich Obst und Gemüse Beachtung schenken soll, auch wenn sie leicht zu ersetzen sind. 

Die Vorstellung, dass selbst eine Kartoffel Augen hat, macht sie für mich zu einem Wesen, einem Gut, das mir wertvoll ist.
 

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