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"The Walk"
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"The Walk"

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim
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Der Filmemacher Michael Jung hat einen berührenden Kurzfilm über Jenny aus Frankfurt gedreht. Jenny war ein Pferd, eine Araberstute. Sie ist vor kurzem gestorben. Zu ihren Lebzeiten brach das Pferd Jenny jeden Morgen und jeden Nachmittag auf und machte einen ausgedehnten Spaziergang durch den Frankfurter Stadtteil Fechenheim. Ganz allein. Michael Jung hat Jenny auf ihren Ausflügen mit der Kamera begleitet. „The Walk“ heißt der Film. Auf Deutsch „Das Wandern“.

Der Film ist auch die Geschichte von Werner Weischedel

In dem Film geht es nicht nur um die Stute Jenny. Der Regisseur erzählt auch die Geschichte von Jennys Besitzer Werner Weischedel. Michael Jung hat ihn gefragt, ob er keine Angst habe, dass Jenny nicht den Weg findet. Weischedels Antwort: „Da habe ich mir nie Gedanken gemacht. Es geht um Vertrauen.“

Eine Kindheit im Krieg

Dabei hat der 80-Jährige viel erlebt, was sein Vertrauen in das Leben erschüttert hat. Er erzählt im Film, wie er als Kind im Krieg vier Tage unter Trümmern in einem Luftschutzkeller begraben war. Seine Mutter und seine Geschwister sind bei dem Bombenangriff ums Leben gekommen. Sein Vater war als Soldat in Stalingrad.

Als der Junge dann in ein Waisenhaus kam, ist er immer wieder weggelaufen. Hin zu der Stelle, an der Mutter und Geschwister gestorben sind. Er erinnert sich im Film: „Ich konnte nicht glauben, dass sie tot waren. Erst habe ich gedacht, die schlafen. Ich habe dann da gewartet. Allein. Irgendjemand muss mich doch abholen, habe ich dann gedacht.“

Durch den Krieg in der Ukraine wird bei vielen die Erinenrung an das Grauen in ihrer Kindheit wach

Solche Erlebnisse verletzen die Seele. Wovon Werner Weischedel erzählt, das haben viele andere Menschen aus seiner Generation ähnlich erlebt. Viele erinnern sich gerade jetzt durch den Krieg in der Ukraine an das Grauen in ihrer Kindheit.

Ein Pferd hat Werner Weischedel schon in seiner Kindheit geholfen

Ein Pferd hat Werner Weischedel schon in seiner Jugend geholfen, die Wunden in seiner Seele zu lindern. Er erzählt im Film: „Auf dem Pferd unseres Nachbarn bin ich in den Ferien oft wochenlang weg gewesen. Auf den Feldern, im Wald, da habe ich genug zu essen gefunden. Wenn die Schule losging, war ich wieder daheim.“

Vielleicht konnte Werner Weischedel deshalb im Alter seine Stute Jenny verstehen, wenn die ihre Alleingänge durchs Stadtviertel machte. Er wusste, sie kommt wieder nach Hause.

Vertrauen ist wie ein unsichtbares Band zwischen ihm und seinem Pferd

Einer, der von klein auf große Verlusterfahrungen gemacht hat, spricht trotzdem von Vertrauen. Vertrauen wie ein unsichtbares Band zwischen ihm und seinem Pferd. Es gibt Bibelstellen, die beschreiben Glauben so, wie ein Mensch und ein Tier miteinander vertraut sein können. Da heißt es zum Beispiel: Ein Schaf kennt die Stimme seines Hirten. Und umgekehrt weiß der Hirte, was sein Schaf braucht. Wer ein Haustier hat, kann das bestätigen: Das Tier kennt mich und meine Eigenheiten und ich seine.

Glauben ist Vertrauen

Glauben ist Vertrauen. Wenn ich an Gott glaube, dann vertraue ich darauf: Gott ist da. Und begleitet mich. Ich gehe nicht verloren. Es ist wie ein unsichtbares Band zwischen uns.

Werner und Jenny. Ein Mensch und sein Pferd. Mich beeindruckt, dass es das gibt: sich selbstverständlich aufeinander verlassen können. Nicht verloren gehen. Irgendwann heimfinden.

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