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Schöpfung genießen und bewahren

Schöpfung genießen und bewahren

Beate Hirt
Ein Beitrag von Beate Hirt, Senderbeauftragte der katholischen Kirche beim hr, Frankfurt
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Wie habe ich im August wieder die Berge und die Natur genossen! Vor allem bei unserer Hüttentour auf dem Stubaier Höhenweg. Endlich, nach zwei Jahren Corona-Pause, war ich wieder mit zwei Freundinnen von Hütte zu Hütte unterwegs. Es war großartig. Wir sind an wunderbaren Wasserfällen entlanggelaufen. Haben Gipfel bestiegen und von dort oben die weite Gebirgslandschaft bestaunt. Und an Bergseen gesessen, in denen sich die Gipfel gespiegelt haben.

"Danke für diese grandiose Bergwelt!"

Ich habe wunderbar auftanken können in dieser faszinierenden Natur. Und immer wieder kommt mir bei solchen Bergtouren auch ein Stoßgebet über die Lippen. „Oh lieber Gott, danke für diese grandiose Bergwelt!“ Oder: „Danke für diese wunderbare Schöpfung!“ Der Sommerurlaub in den Bergen ist für mich die Zeit, in der ich mich der Natur ganz besonders verbunden fühle – und als Mensch, der an Gott glaubt, ist diese Natur für mich Gottes Schöpfung.

Sorge um die Schöpfung

Zu all der Freude über Berge und Natur kommt aber mehr und mehr die Sorge. Den Sulzenau-Gletscher zum Beispiel in den Stubaier Alpen haben wir vor vielen Jahren schon einmal besucht. Jetzt konnten wir mit eigenen Augen sehen, wie deutlich er geschrumpft ist. Außerdem war es in den ersten Tagen unserer Hüttentour über 2000 Metern viel wärmer als sonst, viel wärmer als es sein sollte. Manchmal hab ich auch deswegen ein Gebet gen Himmel geschickt: „Gott, bitte pass auf deine Schöpfung auf! Und lass uns Menschen diese Natur besser bewahren!“

"Lobt den Herrn, ihr Berge!"

Seit Jahrtausenden geht es in den Gebeten der Menschen zu Gott um die Schöpfung. Oft wird die Schöpfung übrigens nicht nur gepriesen – sie preist sogar selbst mit, stimmt mit ein in das Loblied auf Gott. Besonders in den Psalmen des Alten Testaments, der Hebräischen Bibel findet sich das. Zum Beispiel in Psalm 148: „Lobt den Herrn, ihr Berge und all ihr Hügel!“ Oder im Psalm 98: „Es brause das Meer und alles, was es erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner. In die Hände klatschen sollen die Ströme, die Berge sollen jubeln im Chor.“ (Psalm 98,7-8).

Musik mit Psalm 148

Um das Lob der Schöpfung und die Sorge um die Schöpfung soll es in dieser Morgenfeier gehen. Als erste Musik hab ich eine Vertonung des Psalms 98 mitgebracht, von Vytautas Miskinis, einem zeitgenössischen Komponisten aus Litauen, „Cantate Domino“, „Singt dem Herrn“ heißt das Stück. Und wer genau hinhört, kann vielleicht die Berge im Chor mitjubeln hören.

Musik 1: Vytautas Miskinis, Psalm 98, Cantate Domino, aus: Buch der Psalmen. Vertonungen des 20. Jahrhunderts. Kölner Kantorei, Volker Hempfling (LC 06900, Track 11, 2.43 min).

Schöpfungszeit im September

Der Jubel über die Schöpfung, wie er hier in der Musik von Vytautas Miskinis erklingt: Er passt für mich vor allem in den Sommer, wenn ich Urlaub in den Bergen mache und die Natur ganz besonders genieße. Aber er passt auch gut in den September. Der September wird in vielen christlichen Kirchen als so genannte „Schöpfungszeit“ begangen. Sie beginnt am 1. September, mit dem „Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung“, und endet am 4. Oktober, das ist der Gedenktag des heiligen Franz von Assisi, der ja besonders als Heiliger der Schöpfung verehrt wird. Papst Franziskus hat sich 2013 als erster Papst überhaupt nach diesem Franz von Assisi benannt – und das nicht zuletzt genau wegen des Gedankens der Bewahrung der Schöpfung.

Papstschreiben "Laudato si" zur Schöpfung

Eine große Enzyklika hat Papst Franziskus dann auch gleich 2015 der Schöpfung gewidmet und sie mit einem Zitat von Franz von Assisi begonnen und betitelt: Laudato si! Der berühmte „Sonnengesang“ des heiligen Franz von Assisi startet so: „Laudato si! Gelobt seist du, mein Gott, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.“ (Vgl. Laudato si 1) Papst Franziskus spricht aber in seiner Enzyklika nicht nur über den Lobgesang über die Erde. Gleich im zweiten Abschnitt schreibt er: „Diese Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat.“ (Laudato si 2) Lob und Klage bestimmen das Papstschreiben – und der Appell: Wir müssen uns um diese Erde gemeinsam kümmern, Christinnen und Christen, Gläubige anderer Religionen, ja alle Menschen, die auf dieser Erde wohnen.

Schellnhuber: "Laudato si" als "Game Changer"

Der Papst schreibt in „Laudato si“, er möchte „mit allen ins Gespräch kommen“ – und tatsächlich hat sein Schreiben seit 2015 viele außerhalb der Kirche erreicht und bewegt. Professor Hans Joachim Schellnhuber, der ehemalige Leiter des „Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung“, hat die Enzyklika einmal einen  „Game Changer“ für die ganze Klimadebatte genannt. Er sagt in einem Interview: „Sie kam ja im Jahr der Pariser Klimakonferenz heraus und hat die Stimmung der Klimaverhandlungen und auch allgemein der Klimaaktivitäten der sozialen Bewegungen nachhaltig verändert.“(vgl. www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2020-05/vatikan-laudato-si-schellnhuber-klima-corona-krise-umdenken.html)

Schöpfungsfrage: kein Beiwerk, sondern zentral

Auch mir ist dieses Umwelt- und Klima-Schreiben von Papst Franziskus sehr wichtig. Es macht klar: Die Sorge um die Erde ist nicht etwas, das als Beiwerk zu meinem Glauben, als Beiwerk auch zu Ethik und Politik nach Belieben dazukommen kann – oder auch nicht, wenn es nicht passt. Sondern es ist ganz anders: Die Sorge um die Erde ist zentral und wesentlich. Sie gehört in den Mittelpunkt. Und zugleich ist sie nicht nur Mühsal und Moral, denn: Sie hängt eben mit dem Lob auf die Schöpfung zusammen. Ich will diese Erde schützen und bewahren, weil ich Freude an ihr habe. Ich will - um noch einmal auf meine Bergurlaube zurückzukommen - die Berge und Hügel so schön erhalten, wie sie jetzt sind und wie ich sie genieße, mitsamt den Wasserfällen und den Gletschern, die es heute noch gibt.

Ein Lob auf die Schöpfung und auf Gott hat auch Heinrich Schütz komponiert mit dieser Vertonung des Psalms 136.

Musik 2: aus: Heinrich Schütz, Danket den Herrn, denn er ist freundlich, SWV 32, Kammerchor Stuttgart, Musica Fiata Köln, Frieder Bernius (CD 1, Track 8, ca. 2.42 min).

Schöpfungs-Spiritualität: Verbundenheit und Einsatz

Wenn ich Gott lobe und preise für seine Erde, wie das hier Heinrich Schütz tut in seiner Vertonung von Psalm 136: Dann folgt für mich daraus, dass ich diese Erde auch bewahren will. Dann will ich etwas dafür tun, dass Himmel und Erde, Flüsse und Meere, Tiere und Pflanzen erhalten bleiben. Das ist für mich Schöpfungs-Spiritualität: Je enger ich mich dem Schöpfer und der Schöpfung verbunden fühle, je mehr ich diese Schöpfung liebe, desto mehr setze ich mich für sie ein.

"Rhine clean up" mit Müllzange

Das zeigt sich manchmal in ganz kleinen Dingen oder eigenartigen neuen Hobbies. Seit einiger Zeit nehme ich zum Spaziergang am Rhein zum Beispiel immer wieder eine Müllzange mit. Damit sammle ich den kleinen Müll ein, der am Flussufer herumliegt: Papierschnipsel, Zigarettenkippen und viele, viele Corona-Masken. Zum ersten Mal gemacht hab ich das vor ein paar Jahren am so genannten „Rhine clean up Tag“, am Rhein-Säuberungs-Tag. Gestern ist er wieder begangen worden. Tausende Menschen trafen sich dazu an den Ufern des Rheins, von der Quelle bis zu seiner Mündung, um sie vom Müll zu säubern. Es ist Wahnsinn, was da an einem einzigen Tag an Mengen von Müllsäcken und Kilos von Zigarettenkippen zusammenkommt.

Flüsse und Meere schützen

All der Müll vom Flussufer gerät ja normalerweise oft in den Fluss hinein – und über den Fluss ins Meer. Zigarettenkippen sind hoch giftig, eine Kippe kann bis zu 60 Liter Wasser verseuchen. Und der Plastikmüll verursacht in den Ozeanen riesige Müll-Strudel. Der im Pazifik etwa besteht aus drei Millionen Tonnen Plastik, er ist so groß wie ganz Mitteleuropa.

An solchen Rhein-Säuberungs-Aktionen wie gestern werden Fluss und Meer vor etlicher Verschmutzung bewahrt. Aber natürlich ist ein Tag im Jahr zu wenig für die Massen an Müll. Und weil ich ohnehin oft am Rheinufer unterwegs bin, hab ich mir gedacht: Ich nehme die Müllzange einfach öfter mit. Solche Müll-Spaziergänge sind dann für mich nicht nur Hobby und Umweltschutz, sondern: ein Stück Schöpfungs-Spiritualität. Es klingt vielleicht ein wenig seltsam, aber: Wenn ich rund um einen Baum die Zigarettenkippen einsammle, dann fühl ich mich diesem Baum verbunden. Dann erwisch ich mich dabei, wie ich manchmal sage: So, lieber Baum, jetzt hab ich für dich das giftige Zeug weggeräumt, jetzt bleibt das Wasser, das du trinkst, sauber. Oder ich schaue auf den Rhein und sage: Ich will dich vor Zigarettenkippen und Plastiktüten bewahren. Dich und die Nordsee, in die du fließt.

Urlaubsmomente am Meer

Ich bin eigentlich eher ein Bergtyp, im Urlaub geh ich vor allem wandern in den Alpen. Aber ich kenne auch die Faszination des Meeres. Und ich hab viele Freunde, die ihre schönsten Urlaubsmomente am Meer haben: zum Beispiel bei Sonnenuntergängen oder -aufgängen. Wenn sich morgens in aller Frühe langsam die Sonnenkugel über den Horizont schiebt und alles in ein Glitzern und Leuchten taucht – dann ist das für viele ein Erlebnis von Schöpfungsfreude pur. 

Musik 3: aus: Edvard Grieg, Morgenstimmung / Prelude to Act 4 aus: Peer Gynt Op. 23, Academy of St Martin in the Fields / Sir Neville Marriner (LC 0305, Track 6, ca. 3.30 min).

Doppeltes Lob der Schöpfung

Edvard Griegs „Morgenstimmung” aus der Peer-Gynt-Suite war das. Sie ist berühmt – und für mich auch Musik, in der das Lob der Schöpfung steckt. Doppeltes Lob ist das: das Lob, das die Schöpfung selbst ist, die mit all ihrer Schönheit und ihren Wundern den Schöpfer lobt. Und das Lob, das ich als Mensch singe, wenn ich dem Schöpfer für seine wunderbare Welt danke, die er uns geschenkt und anvertraut hat.

Geschmack und Geruch des Septembers

Meer und Berge sind Teile der Schöpfung, die wir besonders im Urlaub genießen. Aber natürlich gibt es auch genug Schöpfung hierzulande, bei uns im Alltag. Auch Gaben der Schöpfung. Jetzt im September ist Erntezeit. Ich liebe es, in diesen Wochen auf den Markt zu gehen: Obst und Gemüse in Hülle und Fülle und in allen Farben gibt es da. Äpfel und Zwetschgen, Kürbisse und Walnüsse – und den ersten Wein. Für mich ist all das der Geschmack des Septembers. Und ich genieße auch den Geruch des Septembers: Die Luft ist nicht mehr so heiß und schwül wie im Juli oder August. Es ist klarer und frischer draußen. Und in die klare Luft mischt sich der Duft von Obst und Erde und Laub.

September ist Schöpfungszeit

Es passt für mich gut, dass im September die so genannte „Schöpfungszeit“ begangen wird in den Kirchen. An vielen Orten werden besondere Gottesdienste gefeiert – auch draußen in der Natur. Die Menschen sind aufgerufen, für die Schöpfung zu beten und sich besonders für sie einzusetzen. Auch politisch und gesellschaftlich. Ich will zum Beispiel am Freitag in einer Woche, am 23. September, wieder einmal für die Schöpfung auf die Straßen gehen – mit den jungen Leuten von „Fridays for future.“ Mich beeindruckt es, wie sie um ihre Zukunft und die Zukunft des Planeten kämpfen. „Es gibt keinen Planeten B“, sagen sie, und das ist so wahr. Wir haben diesen einen Planeten Erde anvertraut bekommen – als Christin sage ich: von Gott anvertraut bekommen. Wir können ihn nicht umtauschen oder einen neuen beantragen. Wir können nur dafür sorgen, dass er bewohnbar bleibt.

Regionales Einkaufen, ohne Plastik

Es gibt viele Möglichkeiten, sich für diesen Planeten einzusetzen oder für unser „gemeinsames Haus Erde“, wie Papst Franziskus ihn nennt. Mülleinsammeln und Demonstrieren gehören für mich dazu. Oder auch: auf dem Markt einkaufen gehen, regional und am besten Bio. Genuss und Engagement gehen da für mich wunderbar zusammen. Weniger Müll produziere ich dabei auch: Auf dem Markt kann ich Obst und Gemüse ohne Plastik, in Baumwollbeuteln kaufen. Ich hab mir auch vorgenommen, wieder öfter in den „Unverpackt-Laden“ zu gehen, den es bei mir in der Stadt gibt. Nudeln, Reis oder Kakao kann ich da in Gläser abfüllen. Es ist ein großartiges Gefühl, zuhause in der Küche den Einkauf fast ganz ohne Plastik auszupacken.

Fahrradfahren, insektenfreundliche Balkonpflanzen

Und ich kann noch so viel mehr tun, um dem Planeten Gutes zu tun: Fahrrad fahren statt Auto. Oder auch: auf dem Balkon oder im Garten Pflanzen einsetzen, die den Insekten Freude machen, jetzt im Herbst zum Beispiel Heiden mit offenen Blüten. Und wenn die Insekten auf meinem Balkon schwirren, freu auch ich mich.

"Gebet für unsere Erde"

Schöpfung bewahren, das darf und soll für mich immer zusammen gehen mit Schöpfung genießen. Ein Loblied auf die Schöpfung singen. Am Ende seiner Enzyklika  „Laudato si“ lädt Papst Franziskus zu einem „Gebet für unsere Erde“ ein, es beginnt so - und damit möchte ich schließen: „Allmächtiger Gott, der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist und im kleinsten deiner Geschöpfe, der du alles, was existiert, mit deiner Zärtlichkeit umschließt, gieß uns die Kraft deiner Liebe ein, damit wir das Leben und die Schönheit hüten.“ (Laudato si 246) (3.30 min)

Musik 4: aus: Heinrich Schütz, Singt dem Herrn ein neues Lied, Psalm 98, SWV 35, Kammerchor Stuttgart, Musica Fiata Köln, Frieder Bernius (CD 2, Track 1, ca. 3.55 min).


Linktipps:

Papst Franziskus, Enzyklika „Laudato si“:
www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html

Interview Prof. Hans Joachim Schellnhuber:
www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2020-05/vatikan-laudato-si-schellnhuber-klima-corona-krise-umdenken.html

Papst Franziskus, Botschaft zum „Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung“ 2022:
www.vaticannews.va/de/papst/news/2022-07/papst-franziskus-botschaft-welttag-schoepfung-wortlaut-deutsch.html

Infos zur insektenfreundlichen Herbst-Bepflanzung beim WDR:
www1.wdr.de/fernsehen/hier-und-heute/sendungen/herbstnahrung-fuer-bienen-100.html

 

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