St. Florian

St. Florian

Dr. Joachim Schmidt
Ein Beitrag von Dr. Joachim Schmidt, Evangelischer Pfarrer, Darmstadt

„Mein Mann ist nicht da“, sagte die Frau. „Er ist bei einer Demonstration gegen die neue, große Stromtrasse. Die soll bei uns ganz in der Nähe vorbei führen, und das lassen wir uns nicht bieten.“ „Und was fordern sie bei der Demonstration?“ fragte ich. „Dass sie hier nicht vorbei führt!“ sagte die Frau. „Und wo dann?“ fragte ich. „Egal, nur nicht bei uns!“ sagte die Frau. „Wissen Sie, die Planung ist ja ganz neu. Erst sollten die Masten an der Autobahn stehen Aber da haben die Anwohner heftig protestieret. Und jetzt probieren es die Politiker hier. Aber nicht mit uns!“

„Heiliger St. Florian, schon‘ unser Haus, zünd‘ andere an“, beteten schon vor Jahrhunderten die Bauern, die in ihren hölzernen Fachwerkhäusern vor nichts so viel Angst hatten wir vor einer Feuersbrunst. Das sollte den Schutzpatron bewegen, die Flammen doch bitteschön fernzuhalten und woanders hin zu lenken. Wohin? Egal, Hauptsache woanders.

Ich habe keine Antwort auf die Frage, ob die heiß diskutierte Stromtrasse Südlink besser so oder anders gebaut werden sollte. Ich weiß nur, dass das Sankt-Florians-Prinzip in Wahrheit niemandem hilft. Wenn jeder an sich denkt, ist an jeden gedacht, lautet ein zynischer Spruch. Aber wenn jeder immer nur an sich und an nichts anderes denkt, dann bleiben immer alle anderen auf der Strecke. Dann gibt es keine Gemeinschaft mehr und auch keine gemeinsamen Interessen.

Das Florians-Prinzip ist verführerisch, denn es sieht so einfach aus, ist aber in Wahrheit auch einfach nur töricht. Denn kein Problem wird gelöst, wenn man es nur von sich weg schiebt. Und keine Entscheidung wird dadurch leichter, dass man sie aufschiebt. Natürlich muss um richtige Lösungen gerungen und auch gestritten werden. Aber irgendwann muss dann entschieden werden, und am Ende werden immer Kompromisse stehen. Anders geht es nicht mit unterschiedlichen Interessen.

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